Etwa ein Drittel der Gemeinden im Land will die Müllgebühren erhöhen. Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Der Gemeindetag relativiert eine Studie, wonach die Bürger zusätzlich belastet werden. Die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY kommt zum Schluss, dass 60 Prozent der Kommunen an der Gebührenschraube drehen.

Stuttgart - Ob für die Müllabfuhr oder fürs Parken, für den Friedhof oder fürs Freibad: Deutschlands Kommunen drehen an der Gebührenschraube. 68 Prozent der Gemeinden mit mehr als 20 000 Einwohner wollen dies in diesem oder im nächsten Jahr tun, so das Ergebnis einer Untersuchung der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY. In Baden-Württemberg planen diesen Schritt immerhin 60 Prozent.

Baden-Württembergs Gemeindetag warnt jedoch davor, dies als gewaltigen Preissprung aufzufassen: „Es ist keinesfalls zu erwarten, dass auf die Bürgerinnen und Bürger nennenswerte zusätzliche Belastungen zukommen“, sagte Verbandssprecherin Kristina Fabijancic-Müller unserer Zeitung. Für die kommenden Jahre prognostizierten die kommunalen Spitzenverbände im Land einen Anstieg des Gebührenaufkommens um insgesamt 2,6 Prozent.

Gebühren decken selten die Kosten

Dies sei einerseits auf Kostensteigerungen, aber auch auf gestiegene Fallzahlen der gebührenpflichtigen Leistungen – etwa bei Baugenehmigungen – zurückzuführen. In vielen Fällen deckten die Gebühren den tatsächlichen finanziellen Aufwand der Kommunen gar nicht vollständig ab, sagte Fabijancic-Müller und verwies auf den aktuellen Bericht der Gemeindeprüfungsanstalt.

Danach liegt etwa bei Freibädern der Kostendeckungsgrad durchschnittlich bei 38,3 Prozent, für Hallenbäder bei 23,5 Prozent und für das Friedhofs- und Bestattungswesen bei 64,7 Prozent. Lediglich Abwasserbeseitigung und Müllentsorgung würden kostendeckend geführt – so wie es das Kommunalabgabengesetz eigentlich vorsieht. Ausnahmen sind jedoch aus sozialen Gründen möglich.

Baden-Württembergs Städtetag betonte, Gebühren dienten der Finanzierung „konkreter Aufgaben“ und seien damit eine Gegenleistung für die Inanspruchnahme kommunaler Leistungen. Die Kommunen seien gesetzlich gehalten, diese Kosten scharf zu kalkulieren und vollständig umzulegen. Deswegen müssten die Gebühren vor allem wegen steigender Personalkosten von Zeit zu Zeit erhöht werden.

Die Zahlen sind noch positiv

Die Unterschiede sind von Stadt zu Stadt ohnehin erheblich. So hat etwa Mannheim kürzlich die Gebühren für die Kinderbetreuung gesenkt. Aus Pforzheim wiederum heißt es, die Verwaltung habe die Erhöhung der Elternbeiträge zwar vorgeschlagen, sei damit beim Gemeinderat aber nicht durchgedrungen. Mehrere Gemeinden heben die Betreuungsgebühren aber an. Jede dritte Stadt wolle die Müllgebühren erhöhen, 30 Prozent wollten über die Straßenreinigungs- und 23 Prozent über die Parkgebühren mehr Geld einnehmen, heißt es in der Studie von EY. Allerdings planten lediglich 16 Prozent der Kommunen an der Grundsteuerschraube zu drehen, und nur sieben Prozent der Gemeinden im Südwesten erhöhten die Gewerbesteuer.

Verglichen mit den meist klammen Städten in Nordrhein-Westfalen oder im Saarland stehen die baden-württembergischen Kommunen relativ gut da. So ist im aktuellen Gemeindefinanzbericht für das Jahr 2018 von einem „positiven Finanzierungssaldo von rund 2,1 Milliarden Euro“ die Rede.

Gemeindetagspräsident Roger Kehle führt dies aber nicht zuletzt auf die langen Wartezeiten in der Baubranche zurück. Soll heißen: Weil das Geld gerade nicht abfließt, schlägt es positiv zu Buche. Angesichts des gewaltigen Investitionsstaus etwa bei Schulen oder im Wohnungsbau werde sich das aber bald ändern.

Große regionale Unterschiede

Vor allem die Grundsteuer – sie ist neben der Gewerbesteuer die zweite große Einnahmequelle der Kommunen – bereitet den Rathauschefs Kopfzerbrechen. Bis Jahresende muss sie zwar nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts neu geregelt sein, weil die Bewertungsgrundlagen veraltet sind, doch erwarten die Gemeinden im Detail noch die eine oder andere Anpassung.

Mit Blick auf höhere Gebühren und Steuern auf kommunaler Ebene sind ausgeprägte regionale Unterschiede auffällig. Während in Hessen (91 Prozent), in Thüringen (89 Prozent), in Nordrhein-Westfalen (81 Prozent) oder in Rheinland-Pfalz (67 Prozent) ein Großteil der Kommunen Erhöhungen der Gebühren und Steuern plane, seien es in Bayern (48 Prozent) und in Sachsen (30 Prozent) jeweils weniger als die Hälfte, so die Studie. Baden-Württemberg liegt in diesem Ranking im Mittelfeld.