Spielfiguren und Karten stehen für viele Menschen für Entschleunigung. Foto: dpa

Wie Kinder und Jugendliche ihre Freizeit verbringen? Da dürften Smartphones und Tablets eine immer stärkere Rolle spielen. Also schlechte Karten für Hersteller klassischer Brettspiele?

Stuttgart - Ob Abenteuerspiel, Quiz-Contest oder reines Würfelglück: Hersteller von Brettspielen und anderen klassischen Gesellschaftsspielen sehen sich in Deutschland auf Wachstumskurs. Firmen wie Ravensburger, Noris und Kosmos haben nach eigenen Angaben Umsatzzuwächse im hohen einstelligen oder niedrigen zweistelligen Prozentbereich hinter sich. Als Grund haben die Firmenchefs eine Rückbesinnung der Verbraucher auf das gesellige Beisammensein ausgemacht. So spricht Noris-Chef Ossi Hertlein von einer „Entschleunigung vom Alltagsstress“ beim Spielen in Zeiten digitaler Hektik.

Im vergangenen Jahr habe der Umsatzzuwachs in der Brettspielbranche gut zehn Prozent betragen, sagt ein Sprecher vom Deutschen Verband der Spielwarenindustrie (DVSI). „Die Brettspielbranche entwickelt sich trotz aller Apps und Computerspiele seit Jahren sehr gut.“ Und auch eine Kosmos-Sprecherin sagt: „Das haptische Spieleerlebnis wird keineswegs von digitalen Medien abgelöst.“ Vielmehr ziehe der Verkauf von Gesellschaftsspielen deutlich an.

Mit dem Thema Digitalisierung geht die Branche unterschiedlich um. Kleinere Firmen wie Noris bleiben komplett „analog“, größere Unternehmen bieten hingegen digitale Zusatzangebote an. Kosmos bietet seinen Klassiker „Catan“ als Online-Spiel und App an, auch mit Erklär-Funktionen.

Spielefans sitzen gerne gemeinsam am Tisch

„Wir wollen durch das digitale Zusatzangebot einen Mehrwert schaffen, mit dem der Zugang zu Brettspielen erleichtert und die Marken gestärkt werden“, sagt Sprecherin Silke Ruoff. Spielefans nutzten das digitale Angebot auf Reisen oder bei längeren Auslandsaufenthalten. „Nach der Rückkehr setzen sie sich dann wieder mit Freunden und der Familie an den Küchentisch oder ins Wohnzimmer zum Spielen.“

Bei Kosmos laufen die Geschäfte ebenfalls besser. Die Stuttgarter Firma kam 2015 eigenen Angaben zufolge auf 70 Millionen Euro, etwa die Hälfte davon entfiel auf den Spielebereich. Und in den ersten fünf Monaten 2016 gingen die Erlöse im Bereich Familien- und Erwachsenenspiel im Vergleich zum Vorjahreszeitraum nochmal um 15 Prozent hoch. Wie sich das Umsatzplus auf die klassischen Spiele und auf die digitalen Zusatzangebote aufteilt, verrät Kosmos aber nicht.

Auch bei Ravensburger („Das verrückte Labyrinth“) sieht man die Digitalisierung positiv - die Firma verkauft seit einigen Jahren den „Tiptoi“-Stift, eine Art interaktives Lesegerät mit Fragen und Antworten als Ergänzung zu klassischen Spielen. Die aufkommende Digitalisierung habe dem klassischen Spielemarkt nicht geschadet, sagt Vorstandschef Karsten Schmidt. Das findet auch Willy Fischel vom Bundesverband des Spielwaren-Einzelhandels. Analoge und digitale Spiele ergänzten sich sehr gut, sagt der Verbandsgeschäftsführer.

Ravensburger-Chef Schmidt weist darauf hin, dass der Markt für klassische Spiele in Deutschland in den vergangenen fünf Jahren von 2,6 auf 3 Milliarden Euro pro Jahr und der Videospiele-Markt nur von 2,6 auf 2,8 Milliarden Euro gewachsen sei. „Bei der Spielware braucht man das Haptische“, sagt Schmidt. „Wir haben die schöne Situation, dass das Digitale aufgekommen und gewachsen ist, aber das Klassische nicht kannibalisiert hat.“ Ravensburger ist der größte deutsche Spielehersteller, sein Geschäftsbereich Spiele, Puzzle und Basteln wuchs 2015 um 9,3 Prozent auf 331,7 Millionen Euro.

Die digitale Entschleunigung ist erwünscht

Spielehersteller Noris („Schatz Rabatz“) kommt ohne digitale Zusatzangebote aus - die Tochterfirma von Simba Dickie erzielte 2015 ein Umsatzplus von neun Prozent auf etwa 17 Millionen Euro, in den ersten vier Monaten 2016 kletterten die Erlöse sogar um 12 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Spiele zum Anfassen seien für die erwünschte „Entschleunigung“ besser geeignet als digitale Spielangebote, sagt Noris-Chef Hertlein. Dies begriffen auch Eltern, die ihre Kinder von Tablet-Computern weg locken und stattdessen ihre sozialen Fähigkeiten unter anderem bei Gesellschaftsspielen stärken wollten. Mittelfristig rechnet Hertlein mit ähnlich guten Geschäften wie derzeit. „Auch 2017 wird es ein anständiges Plus geben, was aber etwas moderater ausfallen dürfte als aktuell“, sagt der Chef der 80-Mann-Firma.

Als Grund für das leichte Abflachen der Wachstumskurve nennt er den sich verschärfenden Konkurrenzkampf. „Es drängen mehr und mehr Wettbewerber auf den Markt, ob aus Frankreich oder Asien“, sagt Hertlein. Daher, so der Noris-Geschäftsführer, werde „das Stück Kuchen, was es dank steigender Nachfrage gibt, etwas kleiner“.