Ein Kussmund muss gepflegt werden: Der Berufsverband der Deutschen Dermatologen empfiehlt, die dünne Lippenhaut in jedem Fall gezielt zu schützen. Foto: dpa

Nach dem Winter mit Minusgraden vor der Tür und trockener Heizungsluft im Inneren sind rissige Lippen weit verbreitet. Die zarte Haut braucht jetzt vor allem eines: Fett und Feuchtigkeit! Worauf Verbraucher beim Kauf von Pflegestiften achten sollten.

Stuttgart - Kusszart und gut durchblutet sollen sie sein: die Lippen. Dann sind sie rosig und verführerisch. Doch der dünnen Haut am Mund setzen Kälte, Heizungsluft, Sonnenlicht, Wind und Wetter mächtig zu. Lippenpflegestifte und Balsame helfen, diese flächenmäßig kleine, aber im Alltag desto wichtigere Partie geschmeidig zu halten. Schließlich spielen die Lippen sowohl bei der Kommunikation als auch bei der Nahrungsaufnahme eine zentrale Rolle. Ganz abgesehen davon, dass insbesondere Frauen mit farbig betonten Lippen auch erotische Signale senden.

Nun hat Stiftung Warentest für ihre März-Ausgabe von „test“ jedoch 35 Pflegemittel für die Mundpartie im Labor untersucht und in 18 Produkten kritische Mineralölbestandteile gefunden, Mosh und Moah genannt (siehe Hintergrund). Bei einigen dieser Kohlenwasserstoffe können gesundheitliche Bedenken nicht ausgeschlossen werden, sofern sie in den Körper gelangen. Und dieses Risiko besteht bei pflegenden und dekorativen Kosmetika für die Lippen durchaus. Schließlich ist von dort der Weg in den Körper nicht weit.

Viele Lippenstifte enthalten Bestandteile aus Erdöl

Die möglicherweise schädlichen Bestandteile kommen in erster Linie in Pflegemitteln vor, die wie die bekannten Markenprodukte Labello, Blistex Lippenbalsam, Eucerin Lip Aktiv oder Bebe Young Care Inhaltsstoffe enthalten, die aus Erdöl gewonnen werden. Auf der Verpackung weisen folgende Bezeichnungen darauf hin, dass dies der Fall ist: Cera Microcristallina, Ceresin, Mineral Oil, Ozokerite, Paraffin und Paraffinum Liquidum, Petrolatum, Hydrogenated Polyisobutene, Polyethylene und Polybutene.

Solange ein gesundheitliches Risiko von Mosh und Moah nicht ausgeschlossen werden kann, empfiehlt Stiftung Warentest, Lippenpflegeprodukte mit diesen Angaben besser nicht zu verwenden und auf Produkte umzusteigen, die auf pflanzliche Ölen und Fette wie Sheabutter, Rizinusöl oder Bienenwachs setzen. Da zertifizierte Naturkosmetikprodukte prinzipiell frei von Mineralölen sind, kann zum Beispiel das BDIH- oder Natrue-Siegel auf ein Mosh- und Moah-freies Lippenpflegeprodukt hinweisen. Unter den laut „test“ schadstofffreien Pflegestiften sind aber auch solche, die nicht unter der Bezeichnung Naturkosmetik laufen.

Die Pflegeeigenschaften hat Stiftung Warentest nicht untersucht

Wichtig zu wissen: Die Pflegeeigenschaften haben die Laboranten von Stiftung Warentest nicht untersucht. Es ging ihnen allein um die möglicherweise unsicheren Kohlenwasserstoffe. Die Tester haben dabei insbesondere Kinder im Blick, die durch Lippenpflegeprodukte mit Fruchtgeschmack dazu verleitet werden könnten, diese von den Lippen abzulecken. Dadurch steige die Gefahr, dass Mosh und Moah in den Körper gelangten.

Stellt sich die Frage, ob Lippen überhaupt einer gesonderten Hautpflege bedürfen. Der Berufsverband der Deutschen Dermatologen empfiehlt, die dünne Lippenhaut in jedem Fall gezielt zu schützen. Im Winter durch fetthaltige Produkte, im Sommer und in der Höhe auch mit UV-Schutz. „Kälte und Wind trocknen die Lippen stark aus, die von Natur aus über weniger Talgdrüsen verfügen als die übrige Haut“, sagt Erik Senger, Hautarzt aus Rödermark. Niedrige Temperaturen drosseln die Fettproduktion zusätzlich, während in geheizten Zimmern die Haut Feuchtigkeit durch Verdunsten verliert.

Bloß nicht die Lippen mit der Zunge befeuchten!

Um gar nicht erst der üblen Angewohnheit zu verfallen, die spröden Lippen mit der Zunge zu befeuchten und dadurch noch rissiger zu machen, empfiehlt der Dermatologe Pflegepräparate mit natürlichen Feuchthaltefaktoren wie Jojoba und Aloe Vera. Fehlt den Lippen, die nur aus wenigen Zellschichten besteht, die schützende Hydrolipidschicht können sich sogar Ekzeme bilden. Die zeigen sich durch ausgefranste und entzündete Ränder.

Außer an rückfettende Wachse oder pflanzliche Öle sowie an Feuchtigkeit sollte man bei der Lippenpflege auch an den Sonnenschutz denken. Frauen, die häufig ihre Lippen schminken, sind gegenüber Männern im Vorteil: Von Hautkrebs auf der Unterlippe sind deutlich mehr Männer als Frauen betroffen. Daher ist es sinnvoll, die Lippen mit einem Pflegeprodukt mit integriertem UV-Schutz zu schützen, insbesondere im Gebirge oder bei Aufenthalten im Freien. Der zarten Lippenhaut droht bereits nach 20 Minuten ein Sonnenbrand.

Wo sind Mineralöle versteckt?

Mineralöle in Kosmetika und Lebensmittel-Verpackungen

Zwei Arten von Kohlenwasserstoffen aus Mineralölen können in kosmetischen Mitteln enthalten sein: gesättigte Kohlenwasserstoffe, auch Mosh (mineral oli saturated hydrocarbons) genannt, und aromatische Kohlenwasserstoffe, kurz Moah. Während die letztgenannten im Verdacht stehen, unter Umständen krebserregend zu sein, können sich bestimmte Mosh-Verbindungen in den Organen ablagern, sofern sie in den Körper gelangen.

Nach der EU-Kosmetikverordnung sind Mineralöle in Kosmetika nur eingeschränkt erlaubt. Dennoch hat das Bundesinstitut für Risikobewertung in stichprobenhaften Messungen Moah-Anteile von bis zu fünf Prozent nachgewiesen.

Während das Institut nach derzeitigem Wissensstand davon ausgeht, dass diese Mineralöl-Bestandteile nicht über die Haut in den Körper dringen können, mahnt sie bei mineralölhaltigen Lippenstiften und Pflegeprodukten, die mit dem Mund in Berührung kommen, zur Vorsicht. Über sie könnten Spuren der möglicherweise problematischen Kohlenwasserstoffe oral in den Organismus gelangen. Zwar liegen bisher nicht genügen Daten vor, die eine tatsächliche Gefährdung durch Moah-Substanzen beweisen, bis die These nicht sicher wiederlegt ist, will das Bundesinstitut für Risikobewertung bei dieser Warnung bleiben.

Mineralölbestandteile können auch bei Lebensmittel-Verpackungen auftreten und in geringen Spuren über den Kontakt zu fetthaltigen Produkten wie Süß- und Backwaren auf diese übergehen. Das Institut Fresenius aus Hamburg erklärt das Auftreten von Mosh- und Moah-Spuren in Kartonverpackungen mit der Verwendung von bedrucktem Recycling-Papier und mineralölhaltigen Klebstoffen. (jul)