Nicole und Matthias Haag feilen in ihrer Seifenmanufaktur am perfekten Schaumerlebnis. Sie lassen die Tradition von Seifen-Haag wieder aufleben. Foto: Hersteller (2), Lichtgut/Max Kovalenko

Die Kosmetikprodukte aus Stuttgart und Umgebung stehen im Zeichen der Natürlichkeit und des Umweltschutzes – die großen Marken haben ihre Wurzeln in der Anthroposophie und der ganzheitlichen Sichtweise von Körper und Geist.

Stuttgart - Es ist ein gut gehütetes Geheimnis, wie viele der kleinen Speickpflänzchen die Bergbauern jeden Sommer einsammeln, damit in Leinfelden-Echterdingen die berühmte rote Seife daraus produziert werden kann. In diesen Tagen sind sie im Biosphärenpark Nockberge in Kärnten unterwegs, denn die charakteristisch duftende Blume, die zu den Baldriangewächsen gehört, wird nur im sogenannten Frauendreißiger zwischen dem 15. August und dem 12. September geerntet. Dafür muss Wikhart Teuffel, der Geschäftsführer von der Speick Naturkosmetik, alle zehn Jahre eine neue Genehmigung bei der zuständigen Landesregierung beantragen, denn das Pflänzchen steht unter Naturschutz.

Speick für Haut und Haar

Viel Aufwand für eine inzwischen 130 Produkte umfassende Palette zur Pflege von Haut und Haar. Aber nicht nur die Tradition des Familienunternehmens, das sich seit jeher mit der Homöopathie und der Anthroposophie verbunden sieht, spricht gegen eine Alternative aus dem Chemielabor, denn „synthetisch lässt der Speick sich nicht herstellen“, sagt Teuffel. „Wenn wir es uns einfach machen würden, hätten wir keine Nische“, lautet seine betriebswirtschaftliche Überlegung. Kein Mikroplastik in den Produkten, keine Tierversuche, kein Aluminium im Deo und keine Inhaltsstoffe aus der Petrochemie – das zeichnet Naturkosmetik aus. Speick verpackt außerdem seine Bodylotion in Flaschen aus einem Material aus Zuckerrohr, das unendlich oft wieder verwertbar sein soll. Speicks Engagement für Gesundheit und Umwelt wurde mehrfach ausgezeichnet. Das Speickwerk ist vor fünf Jahren aus der Landeshauptstadt weggezogen. Die Verbundenheit zur Anthroposophie Rudolf Steiners hat sich bei der Produktion von Kosmetika bis heute erhalten.

Rhythmisches Herstellungsverfahren

Ein Aushängeschild der ganzheitlichen Sichtweise von Körper und Geist ist auch die Dr. Hauschka Kosmetik mit Sitz in Bad Boll. „Alle unsere Produkte enthalten speziell wirksame Heilpflanzenauszüge“, sagt die Firmensprecherin Inka Bihler-Schwarz. Das gelte auch für die 81 Produkte zum Schminken. Stolz ist das Unternehmen, zu dem die Wala Heilmittel gehören, auf sein rhythmisches Herstellungsverfahren. Das wurde in den 1920er Jahren von Rudolf Hauschka (1891 – 1969) entwickelt. Er machte sich die natürlichen Wechsel polarer Qualitäten wie hell und dunkel, warm und kalt, Bewegung und Ruhe bei der Verarbeitung von Heilpflanzen zunutze und konnte dadurch auf Konservierungsstoffe verzichten. Noch heute werden für die Wala Heilmittel die Urtinkturen nach diesem Verfahren hergestellt.

Seife mit langer Tradition

Nicole und Matthias Haag knüpfen ebenfalls an das Wissen der Vorfahren an. Sie lassen die 1756 gegründete Traditionsfirma Seifen Haag wieder aufleben. Bis 1999 war das Geschäft in der Stiftstraße. Matthias Haag ist der Neffe des letzten Inhabers und hat mit seiner Frau in der Schweiz Maschinen zur traditionellen Seifenproduktion aufgetrieben. Am Wochenende steht das Paar in seiner liebevoll eingerichteten Manufaktur in Feuerbach und tüftelt mit Kernseifepellets und Ölen am Schaumerlebnis. Duft und Verträglichkeit testen Freunde. Demnächst ist die heiß gesiedete Seife reif für den Markt. „Jetzt rücken wir sie noch nicht raus“, so Haag. „Zuerst muss alles perfekt sein.“ Dabei bauen sie auf das wachsende Interesse der Kunden an Regionalität und natürlichen Inhaltsstoffen.

Erfrischender Schaum im Mund

Zu den Traditionsprodukten im Badezimmer gehört die Ajona-Zahncreme. Seit 1952 wird sie in Leinfelden-Echterdingen in dem kleinen Familienunternehmen Dr. Liebe hergestellt. Natürliche Wirkstoffe, der frische Geschmack, der sehr geringe Abrieb des Zahnschmelzes sowie ihre extreme Ergiebigkeit sind die Garanten dafür, dass die rote Tube im Zahnputzbecher steckt. Bei seinem jüngsten Produkt, der Pearls and Dents- Zahncreme, für extrem empfindliche Zähne, vermeidet die Firma mit ihrer 150-jährigen Geschichte die Verwendung von Mikroplastik – obwohl der Produktname anderes vermuten lassen könnte. Mikroplastik ist in sehr vielen Kosmetikprodukten enthalten. Es wandert direkt in die Gewässer und kehrt über die Fische wieder zum Menschen zurück.

Milde Chemie für Problemhaut

Die Hersteller von Naturkosmetik profitieren vom wachsenden Umweltbewusstsein der Verbraucher und von den zunehmenden Allergieerkrankungen. Schon in den 1980er Jahren begann die Apothekerin Petra Steinbeck in der Alten Apotheke in Feuerbach auf Wunsch eines Friseurs mit der Herstellung von Haarpflegeprodukten ohne Konservierungs- und Duftstoffe. Der Name „Limit“ des Sortiments deutet auf die Begrenzung der Wirkstoffe hin. Später ließ ein Arzt bei ihr eine Seife für Kinder mit Neurodermitis herstellen. „Mit ihm stehe ich immer noch in Kontakt, obwohl er im Ruhestand ist“, berichtet sie. Menschen mit Hautproblemen lassen sich von ihr Salben mixen. „Das funktioniert alles über Mund zu Mund-Propaganda. Ich habe nie Marketing betrieben“, sagt sie und betont, dass sie stets auf schonende Chemie vertraue, auch natürliche Stoffe könnten für Allergiker Gift sein.