Ex-Bundespräsident Christian Wulff geht am Donnerstag mit seinen Anwälten Michael Nagel (rechts) und Bernd Müssig (links dahinter) zum Landgericht in Hannover. Foto: dpa

Am zweiten Tag im Korruptionsprozess gegen Christian Wulff ist die Laune des ehemaligen Bundespräsidenten sichtlich gestiegen. Denn die ersten beiden Zeugen stützen dessen Argumentation der Unwissenheit.

Am zweiten Tag im Korruptionsprozess gegen Christian Wulff ist die Laune des ehemaligen Bundespräsidenten sichtlich gestiegen. Denn die ersten beiden Zeugen stützen dessen Argumentation der Unwissenheit.

Hannover - Als Christian Wulff sich am Donnerstag den Weg durch die Kameras ins Landgericht Hannover kämpft, wirkt er gereizt. Im Gegensatz zum Auftakt seines Korruptionsverfahrens vor einer Woche will der Ex-Bundespräsident nicht mit den in der Kälte wartenden Journalisten sprechen. Fragen zu seinem Gemütszustand ignoriert er, stattdessen kontert er mit einem sarkastisch klingenden „Guten Morgen erst mal“ und schnelleren Schritten. Dann ist wieder Ruhe. Gemeinsam mit seinen Verteidigern verschwindet Wulff in einem Besprechungsraum.

Wulffs Laune sollte sich an diesem zweiten Prozesstag im Laufe der ersten teils zähen Zeugenvernehmungen aber bald bessern. Denn die ersten Zeugen, zwei Mitarbeiter des Hotels „Bayerischer Hof“ in München, wissen zwar nicht mehr viel über die Ereignisse während des wohl berühmtesten Oktoberfestbesuches eines niedersächsischen Ministerpräsidenten. Mit ihren wenigen Erinnerungen helfen sie Wulff aber wohl mehr als sie ihm schaden.

Den Aussagen zufolge war es Wulff nicht - wie von der Staatsanwaltschaft vermutet - automatisch möglich, 2008 beim Auschecken aus dem Hotel auf der Rechnung zu erkennen, dass „sein Freund“ David Groenewold einen Teil der Logiskosten bezahlt hatte. Genau so hatte Wulff es eine Woche zuvor in seinem rund 50-minütigen Monolog auch dargestellt. Mit Blick auf den Vorwurf der Vorteilsannahme wirkt die Möglichkeit der Unwissenheit des finanziellen Vorteils wie eine Entlastung, die Wulff von der Anklagebank aus mit dezenten Kopfnickern und bisweilen sogar einem Lächeln wortlos kommentiert.

Auch zur Frage nach den Gründen für das Hochstufen bei der Zimmervergabe fällt keiner der Zeugen der Verteidigung in den Rücken: Es sei normales Alltagsgeschäft, dass Hotelgäste, meist Prominente oder Stammkunden, je nach Auslastung höherwertige Zimmer erhielten als zunächst gebucht worden seien, sagt der 48-jährige Empfangschef. Ob die Gäste von ihrer Hochstufung erfahren, könne nicht grundsätzlich gesagt werden, da es bisweilen auch stillschweigend geschehe. Zudem seien in dem Hotel täglich „10 bis 20 VIPS“ zu Gast, der diskrete Umgang mit bekannteren Persönlichkeiten sei daher auch für die Mitarbeiter an der Tagesordnung.

Statt im ursprünglich reservierten Doppelzimmer durfte Wulff damals mit Frau Bettina und Sohn Linus zum Vorzugspreis von 383 Euro in einer Suite übernachten. Ein guter Preis für Gäste, „die für unser Haus wichtig sind“, heißt es auf einer dazugehörigen Notiz auf der Reservierung. Der Normalpreis soll vor fünf Jahren nach Angaben des 38-jährigen Assistenten der Hotelchefin 1100 Euro betragen haben. Auch dies nimmt Wulff - der sich angesichts der vielen Zahlen immer wieder Notizen macht und selbst in den Akten der Verteidigung blättert - wohlwollend nickend zur Kenntnis.

Ob im weiteren Prozessverlauf andere Zeugen mehr Licht ins Dunkel der Hotelbuchung und der Rechnungsstellung bringen können, scheint nach der Aussagen der ersten Hotelmitarbeiter zumindest fraglich. Täglich gebe es 230 Check-Outs, zudem würden die Rezeptionisten beim kassieren die dort dargestellten Posten weder hinterfragen, noch gewähre das Computersystem ohne weiteres Einblick in die Einzelpostenbuchungen, erklärte der Empfangschef.

Als Wulff am Mittag den Saal 127 wieder verlässt, ist seine Laune sichtlich besser: „Man hat das Gefühl, Kafka hätte über diesen Prozess geschrieben“, sagt er jetzt redselig den Journalisten unter Verweis auf Franz Kafkas 1931 veröffentlichte Parabel „Der Schlag ans Hoftor“. In dem Stück muss sich ein junger Mann wegen öffentlicher Schuldzuweisungen für eine Tat verantworten, die er nicht begangen hat und deren Strafwürdigkeit weder dem Erzähler noch dem Leser einleuchtet.