Sitzt in Untersuchungshaft: die 44-jährige Eva Kaili Foto: AFP/Eric Vidal

Bei der Festnahme von EU-Vizeparlamentspräsidentin Eva Kaili sind „Taschen voller Geld“ mit 600 000 Euro sicher gestellt worden. Die Korruptionsaffäre wirft auch ein Schlaglicht auf die politische Kultur Griechenlands.

Viele Menschen in Griechenland kennen Eva Kaili noch als Moderatorin des Fernsehsenders Mega-TV. Jetzt machen andere Bilder der 44-Jährigen die Runde. Eines zeigt sie in Doha im Amtszimmer des katarischen Arbeitsministers Ali bin Samich Al Marri. Auf einem bei Facebook geposteten Selfie, posiert Kaili in der katarischen Wüste mit ihrem Lebensgefährten Francesco Giorgi vor einem Meer aus Sanddünen. „Wenn du einmal in Katar warst, bist du ein anderer Mensch“, kommentierte ein Follower. Es waren aus heutiger Sicht prophetische Worte. Kaili, griechische Europaabgeordnete und eine von 14 Vizepräsidenten des Parlaments, und Giorgi sind zwei von fünf Personen, die am Freitag von der belgischen Polizei vorläufig festgenommen wurden. Vorausgegangen waren monatelange Ermittlungen.

„Taschen voller Geld“ in Kailis Wohnung

Am Freitag griffen die Fahnder zu: Bei 16 Durchsuchungen fanden sie große Mengen Bargeld – insgesamt um die 600 000 Euro. In Kailis Brüsseler Wohnung habe man „Taschen voller Geld“ sichergestellt, berichteten belgische Medien. Die Fahnder beschlagnahmten auch Mobiltelefone und Datenträger. Den Festgenommenen wird „bandenmäßige Korruption und Geldwäsche“ vorgeworfen. Die Spur des Geldes führt offenbar nach Katar, zum Gastgeber der Fußball-WM. Katar, so der Verdacht, könnte mit Geldzuwendungen und wertvollen Geschenken versucht haben, sich Einfluss im Europäischen Parlament zu erkaufen. Das Emirat stand im Vorfeld der WM wegen inhumaner Arbeitsbedingungen beim Bau der Stadien international in der Kritik. Zur mutmaßlichen Katar-Connection passt, dass Kaili am 21. November vor dem Europaparlament eine Rede hielt, in der sie dem Emirat eine „historische Transformation“ bescheinigte. Katar sei „führend bei den Arbeitsrechten“, behauptete sie. Die WM sei Beweis, „dass Sportdiplomatie einen historischen Wandel in einem Land bewirken kann, dessen Reformen die arabische Welt inspiriert haben“.

Kaili nutzte die Popularität als Fernsehmoderatorin

Kailis politische Karriere begann früh. Mit nur 26 Jahren wurde die Architektin 2004 in den Rat ihrer Heimatstadt Thessaloniki gewählt. Zuvor hatte sie als Moderatorin beim Sender Mega-TV gearbeitet. Vor allem ihrer Popularität auf dem Bildschirm verdankte Kaili 2007 das Angebot der Panhellenischen Sozialistischen Bewegung (Pasok), für einen Sitz im Parlament zu kandidieren. Dort war sie bis 2012 Abgeordnete. 2014 wechselte Kaili ins Europäische Parlament.

Die Pasok reagierte nun schnell. Parteichef Nikos Androulakis, ebenfalls Europaabgeordneter, schloss Kaili noch am Freitag aus der Partei aus. Auch die Fraktion der Sozialisten und Demokraten (S&D) im Europäischen Parlament suspendierte die Griechin. Auch wenn offenbar Hunderttausende Euro geflossen sind: Am Ende dürfte es in dieser Affäre nur Verlierer geben. Katar steht als Schurkenstaat da, der sich mit Schmiergeldern politischen Einfluss zu erkaufen versucht. Das Ansehen des Europaparlaments ist schwer beschädigt. Kailis Karriere ist beendet.

Die Affäre wirft ein Schlaglicht auf die politische Kultur Griechenlands, genauer auf die engen Verbindungen zwischen Medien und Politik. Der Journalismus gilt vielen als Sprungbrett ins Parlament und in die Regierung. Wer den Wechsel schafft, hat mit üppigen Abgeordnetendiäten und Pensionsansprüchen ausgesorgt. Allein in der 156 Abgeordnete zählenden Parlamentsfraktion der regierenden konservativen Nea Dimokratia sitzen 13 prominente Journalistinnen und Journalisten. Die politischen Parteien nutzen die Popularität bekannter TV-Moderatoren wie Kaili zum Stimmenfang. Es ist eine verhängnisvolle Wechselbeziehung, bei der die Rolle der Medien als „vierte Gewalt“, als Kontrollinstanz der Demokratie, in Gefahr gerät.