Räumt ihren Platz an der Capitol-Kasse: die Kinobesitzerin Gerda Schaich. Foto: Waldner

Seit rund 40 Jahren betreibt Gerda Schaich das Capitol-Kino in Kornwestheim, seit mehr als 70 Jahren arbeitet sie in der Branche und wurde dadurch zum „Nachtmenschen“, wie sie selbst sagt. Jetzt geht sie in den Ruhestand – mit 86 Jahren.

Kornwestheim - Vergangene Woche saß sie ein letztes Mal an der Kasse im Capitol. Der besondere Film mit dem Titel „Aufbruch zum Mond“, das war Gerda Schaichs Abschiedsvorstellung in ihrem Kino in der Kornwestheimer Güterbahnhofstraße. Nein, zum Mond bricht die 86-Jährige nicht auf, sondern in den Ruhestand – nach einem rund 70 Jahre währenden Berufsleben, das sie ganz dem Kino gewidmet hat.

Ein schwerer Schritt? „Bis jetzt nicht“, sagt die Kinobesitzerin, wie stets schick gekleidet, gut frisiert und dezent geschminkt. Aber bis jetzt ist sie ja auch noch nicht im Ruhestand. Künftig will sie noch mehr Runden im Heilbad in Hoheneck drehen, und wenn ihr daheim die Decke auf den Kopf fällt, „ach, dann gehe ich shoppen“.

„Wir sind halt Nachtmenschen“

Schaich ahnt, dass ihr die Umstellung nicht ganz leicht fallen wird, denn das Kino, das sie zusammen mit ihrem Sohn Peter betrieben hat, hat ihren Lebensrhythmus schon sehr bestimmt. „Wir sind halt Nachtmenschen“, sagt sie.

Nach der Handelsschule hat die gebürtige Cannstatterin in einem Stuttgarter Betrieb gearbeitet, der für Kinowerbung verantwortlich war. Zu ihrem 18. Geburtstag lag auf ihrem Schreibtisch ein Strauß mit gelben, langstieligen Rosen – geschenkt von einem Verehrer, der im gleichen Haus wie sie arbeitete und ein Auge auf sie geworfen hatte. „Ich hatte ihn bis dahin gar nicht wahrgenommen“, gesteht die Kornwestheimerin.

Walter Schaich kam aus einer bekannten Kino-Familie, sein Onkel Eugen Mertz nannte das prächtige Gloria in Stuttgart sein Eigen, seine Eltern besaßen ein Kino in Bietigheim-Bissingen. Und so rutschte Gerda Schaich in die Kino-Branche – und blieb ihr bis heute treu. Zusammen mit ihrem Mann führte sie als Angestellte der Mertz-Betriebe das Universum in Karlsruhe, in den 1960er Jahren erwarb das Ehepaar ein Kino in Stuttgart-Stammheim, rund zehn Jahre später kam das Capitol in Kornwestheim hinzu.

Die großen Multiplex-Kinos setzen kleinen Anbietern zu

Jahre zuvor schon hatte die Stadt Kornwestheim die Schaichs für die Koralle, das Kino vis-à-vis dem Rathaus – heute der Theatersaal im K – gewinnen wollen. Ihr Mann habe aber abgelehnt, erinnert sich Gerda Schaich. Der Bau sei in einem schlechten Zustand gewesen, die Kinobesucher hätten über kalte Füße geklagt.

Das Haus in der Güterbahnhofstraße, in das die Familie auch einzog, erwies sich als Glücksgriff. Das Kinolief gut, so wie auch die Kneipe namens Hobby im Erdgeschoss, die das Ehepaar ebenso einrichtete wie eine Videothek im ersten Geschoss. Als die Stadt Kornwestheim in der Koralle ein Kommunales Kino einrichten wollte, hob Walter Schaich die Veranstaltungsreihe „Der Besonderen Film“ aus der Taufe. Die Stadt verzichtete auf das eigene Filmangebot und unterstützte das Capitol.

Den „Besonderen Film“ gibt’s bis heute, auch wenn die Stadt mittlerweile den Zuschuss gestrichen hat. „Er läuft wirklich gut“, ist Gerda Schaich stolz, dass sie das Angebot aufrechterhalten hat.

Einen Lieblingsfilm hat Gerda Schaich nicht

Das Kino mit den zwei Sälen – die Blackbox ist zugunsten einer Spielhalle aufgegeben worden – hat sich über all die Jahre halten können, auch wenn die Geschäfte nicht mehr so gut laufen wie früher, als sich auch schon einmal lange Schlangen vor der Kinotür bildeten. Als die großen Multiplex-Kinos eröffneten, setzte das den kleinen Anbietern zu. „Ungefähr die Hälfte des Umsatzes ist verloren gegangen“, sagt Schaich, die nach dem Tod ihres Mannes Ende der 1990er-Jahre das Kino mit ihrem Sohn weitergeführt hat.

Gibt’s einen Lieblingsfilm? Nein, antwortet Gerda Schaich. Zum Filme schauen bleibe ohnehin weniger Zeit, als es sich Außenstehende vorstellen würden. Daheim im Fernsehen guckt sie lieber Dokumentationen, Nachrichtensendungen und Talkshows – bis zu dieser Woche nach getaner Arbeit bei einer Flasche Bier.

Das Abend-Bierchen möchte sie sich weiterhin gönnen, auf die Arbeit zuvor allerdings will sie verzichten. Aber wenn Not herrsche, dann werde sie auch künftig einspringen, hat sie dem neuen Besitzer Mihail Toronidis versichert. Der startet an diesem Donnerstag, 4. April, mit dem Filmbetrieb im Capitol.