Im Winter bleibt das Netz auf: Die Ernte auf der Plantage zwischen Kornwestheim und Mühlhausen ist abgeschlossen. Foto: Werner Waldner

Mehr „bio“ auf Feldern, auf den Märkten und auf den Tischen daheim und in den Kantinen – das will die Biomusterregion Ludwigsburg/Stuttgart erreichen.

Kornwestheim/Stuttgart - Fünf Jahre ist’s her, da hat der Landwirtschaftsmeister Simon Sperling die Apfelbäume von Andreas Bezler übernommen. Mittlerweile hat er rund 20 000 Exemplare, die auf der Plantage zwischen Kornwestheim und Stuttgart wachsen. Mit Obst hatte der 33-Jährige bis dahin nichts am Hut. Aber der junge Landwirt, der Legehennen hat und im Acker- und Gemüseanbau zuhause ist, wollte ein neues Feld beackern. Mittlerweile ist er Fachmann für Bio-Äpfel: Sperling stand dieser Tage anderen Landwirten Rede und Antwort zusammen mit Andreas Bezler, nunmehr Berater beim Verein Ökologischer Obstbau, bei einer Veranstaltung, zu der die Bio-Musterregion Ludwigsburg/Stuttgart eingeladen hatte. Ihre Zuhörer: Landwirte und Obstbauern aus der Region, die darüber nachdenken, auf Bio umzustellen.

Lohnt sich das? Wer im konventionellen Anbau gut verdiene, der werde auch mit Bio-Obst erfolgreich sein, antwortet Andreas Bezler. Ein Garant für wirtschaftliches Gelingen sei „bio“ aber nicht. Die Umstellung sei immer auch ein Risiko, betonte der Experte. Bezler: „Man kriegt zwar einen höheren Preis, hat aber auch einen höheren Aufwand.“ Und von dem konnte Simon Sperling ein Lied singen. Ein Beispiel: die Bodenbearbeitung. Sperling hat sich für viel Geld eine Roll- und Fingerhacke zugelegt, um den Boden biogerecht beackern zu können. Gegen das Unkraut spritzen – das würde ihn die Bio-Zertifizierung kosten.

Einen sechsstelligen Betrag hat er in den Hagel- und Sonnenschutz investiert. Muss das sein?, wollten Landwirte wissen, und verwiesen darauf, dass es in hiesigen Breitengraden doch gar nicht so oft hageln würde. Wenn sie sich da mal nicht täuschen würden, entgegnete der Berater Andreas Bezler. Otto-Normal-Verbraucher oder -Landwirt mag die vom Himmel fallenden kleinen Eisklumpen ja nicht immer bemerken. „Aber wer Äpfel hat, der hat auch Hagel“, gab Bezler eine Weisheit der Obstbauern preis.

Drei Wochen hat’s gedauert, um mit fünf Mann die Netze über den Bäumen zu installieren. Die Pfähle sind 1,80 Meter tief ins Erdreich gerammt worden, weil auf der Höhe zwischen Kornwestheim und Mühlhausen häufig eine „steife Brise“ weht. „Das war echt ein Geschäft“, berichtete Sperling seinen Kollegen. Ein Geschäft ist’s auch, rechtzeitig die Netze auszurollen. Das geschieht nicht per Knopfdruck, sondern es ist mühsame Handarbeit, die mehrere Tage in Anspruch nimmt. Gleichwohl: Auf den Hagel- und Sonnenschutz, der bis dato knapp die Hälfte der neun Hektar großen Fläche, die der Landwirt von der Stadt Stuttgart gepachtet hat, mag Sperling nicht verzichten. Er sei notwendig, um die Ernte gegen die Unbill des Wetters abzusichern.

Mühsame Handarbeit – das gilt auch für die Bekämpfung der vielen Mäuse, die die Plantage heimsuchen. Wenn auf den benachbarten Feldern die Ernte laufe, ziehe es die Mäuse zu den Apfelbäumen. Weil Gifteinsatz tabu ist, hat der 33-Jährige sogenannte Blechfallen im Erdreich installiert. Die sind für die Mäuse tödlich: Sie sollen kein Unheil an den Baumwurzeln anrichten können. Seinen Mitarbeitern, unkte ein Landwirt, zahle er sicherlich zehn Cent pro gefangenem Nager. Das könne er sich nicht leisten, entgegnete Sperling. Bis zu 400 Mäuse landen nämlich in der Falle – nein, nicht in der Woche, sondern am Tag. Apropos Schädlinge: Sie treten vermehrt auf, auch Arten, die bisher in hiesigen Breitengraden überhaupt nicht bekannt sind. „Jedes Jahr kommt mindestens ein neuer Schädling hinzu“, berichtete Bezler von immer neuen Herausforderungen für die Landwirte.

15 Sorten von Elster und Gala bis zu einer neuen Sorte namens Natyra, die eigens für den Bio-Anbau gezüchtet worden ist, pflanzt Sperling auf der Plantage zwischen Kornwestheim und Mühlhausen an. Mitte Juli beginnt das Pflücken bei den frühen Sorten, im Oktober sind die letzten Früchte von den Bäumen. Je nach Baum, Sorte und Wetterbedingungen kann Sperling pro Baum bis zu zwölf Kilogramm im Jahr ernten. Das Obst wird bis zum Verkauf in Biomärkten, vereinzelten Rewe- und Edeka-Märkten sowie auf den Wochenmärkten in einer Halle in Möglingen fachgerecht bei einer Temperatur von 0,5 Grad plus eingelagert. So halten die Äpfel bis zu einem Jahr. Der Aufwand, der für die Produktion betrieben wird, soll sich schließlich auch lohnen.