Hinter den Kulissen beim Dreh in Kornwestheim: (von links) Johannes Böttge, Mickey Paatzsch und Arkadij Khaet Foto: Werner Waldner

In der Konwestheimer Bolzstraße drehen Studenten Szenen für den Film „Masel Tov Cocktail“. Die Kulisse im Kreis Ludwigsburg haben sie ausgewählt, weil die Szenerie ein bisschen an den Ruhrpott erinnert.

Kornwestheim - Sicherheitshalber hat die Requisite zwei der Blumensträuße aus Plastik geordert. Wer weiß, ob ein Exemplar den Drehtag übersteht? Mit dem Gebinde drischt Michelle auf Dimitrij immer und immer wieder ein – nicht weil ihre Wut auf ihren Freund so groß ist, sondern weil die Regisseure Arkadij Khaet und Mickey Paatzsch die Szene mehrfach wiederholen lassen. Und so sagt Dimitrij, dargestellt von Alexander Wertmann, erneut „Mensch, Michelle, ich hab’ ihm doch schon die Nase gebrochen“ – direkt vor dem Eingang des Hauses Bolzstraße 38 in der Kornwestheimer Weststadt (Kreis Ludwigsburg) – und kriegt Sekunden später den Blumenstrauß um die Ohren gehauen.

Das jüdische Leben in Deutschland so abbilden, wie es wirklich ist

Sie haben sich nicht gerade ein idyllisches Fleckchen Kornwestheims für ihren Filmdreh ausgesucht. Rechts vom Eingang des siebenstöckigen Hochhauses, das dem Wohnungsbaukonzern Vonovia gehört, haben sich die Beteiligten – rund 40 Personen, die sich unter anderem um Maske, Licht, Requisite und Ton kümmern – ausgebreitet. Rein zufällig, erzählt Produzentin Christine Duttlinger, habe man das Haus und den Eingangsbereich entdeckt. Was ihnen gefallen hat: Das dezente Violett der Hausfassade, das den Hintergrund für diese Szene bildet, und das Ambiente ringsherum, das den Klischees vom Ruhrgebiet– in Duisburg spielt der Film eigentlich – entspricht. Und so rückten sie mit dem ganzen Equipment für einen Tag an und postierten sich vor dem Hauseingang. Das normale, wirkliche Leben läuft derweil weiter. Der Briefträger kommt und bringt die Post, die Güterzüge donnern am Haus vorbei, aus den Fenstern dringen die Stimmen der Bewohner. Weshalb Regieassistent Johannes Böttge manchmal eine kurze Pause einlegen lässt, bis – akustisch – wieder die Verhältnisse herrschen, die er sich wünscht. Bei ihm laufen die Fäden zusammen. Er gibt die klaren Anweisungen, was nun als nächstes zu tun ist. „So ein Film funktioniert nur, wenn jeder auf seinen Positionen ist“, sagt Christine Duttlinger.

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Im Film erzählen Khaet und Paatzsch die Geschichte des 19-jährigen Dimitrij Zuckermann, einem jungen Juden. Er hat seinen Mitschüler Tobi geschlagen. Wenn sich Dimitrij nicht entschuldigt, darf er nicht mit auf Klassenfahrt. Khaet und Paatzsch wollen mit ihrem Film das jüdische Leben in Deutschland so abbilden, wie es wirklich ist. Das, beklagt sich Khaet, werde nämlich nicht durch Männer mit Schläfenlöckchen bestimmt, wie es häufig den Anschein habe. Khaet stammt aus Moldawien und ist selbst Jude.

Der Film wird nicht vor 2020 im Fernsehen gezeigt

Studenten aus ganz unterschiedlichen Studiengängen wirken an der Produktion mit. 14 Schauspieler sind im Einsatz, die, weil’s eine studentische Arbeit ist, kein Honorar bekommen. Ihre Bezahlung sei das Demo-Material, berichtet Mickey Paatzsch. Sie würde aber auch deshalb mitmachen, weil ihnen solche Produktionen die Möglichkeit bieten würden, in ganz andere Rollen zu schlüpfen als in den herkömmlichen Filmen. 30 Minuten wird der Film einmal dauern, der im SWR-Fernsehen und auf Arte gezeigt werden soll. Ein Sendetermin steht noch nicht fest. Vor 2020 wird er aber nicht zu sehen sein, denn die Fertigstellung des Streifens nach Abschluss der Dreharbeiten nimmt rund ein dreiviertel Jahr in Anspruch.

„Die Michelle ist abgedreht“, ruft Johannes Böttge. Das Filmteam vorm Haus Nummer 38 klatscht und wendet sich dem Nachbarhaus zu. In dessen Schatten stehen Bierbänke fürs Mittagessen. Der zweite Blumenstrauß ist übrigens nicht mehr zum Einsatz gekommen.