Die 90-jährige Helena Möndel zeigt ihre Arbeiten im derzeit geschlossenen Haus der Musik.
Kornwestheim - Helena Möndel hätte nur zu gern einer größeren Zahl an Interessierten ihre künstlerischen Arbeiten präsentiert. Doch wegen der Corona-Krise verzichtete sie auf die ursprünglich geplante Vernissage in der Städtischen Musikschule, wo ihre Arbeiten seit einigen Tagen hängen – und nicht zu sehen sind. Mit schwerem Herzen habe sie die Ausstellungseröffnung abgesagt, berichtet die 90-Jährige. „Ich habe so viel Material für meine Einführung zu den Bildern zusammengetragen. Das ist dann schon schade.“ Nicht nur für die Erklärungen, auch zur Präsentation der Bilder selbst hat es aufwendige Vorbereitungen gegeben. Zwei Tage vor der Vernissage habe die gesamte Familie dabei geholfen, die Kunstwerke aufzuhängen. Glücklicherweise liegt in der Familie Möndel auch bei Tochter Sibylle die Kunst im Blut. Im Gegensatz zu ihrer Mutter konnte sie ihre Kunst zum Beruf machen.
„Sibylle hatte die Idee, wie man die Bilder am besten an Schnüren aufhängen konnte.“ Die anderen Familienmitglieder setzten wirkungsvoll deren Ideen an den Wänden in der Städtischen Musikschule um, die bislang noch nie für einen solchen Zweck genutzt worden waren. Helena Möndel hatte dieser Tage allerdings kurzerhand beschlossen, eine familiäre kleine Präsentation der Bilder für ihre Geburtstagsgäste zu machen. Die mussten dafür nur den Marktplatz vom Restaurant her überqueren, wo die Feier zu Möndels 90. Geburtstag stattgefunden hatte.
Tatkräftige Unterstützung beim Öffnen des transpondergeschützten Schlosses der Eingangstür gab Musikschulleiterin Sabine Segmiller. Sie war mit der Organisation der Musikschularbeit während der Schließungszeit bis nach Ostern beschäftigt. Währenddessen werde sie selbst im Homeoffice arbeiten und könne gut nachvollziehen, wie es vielen Eltern ihrer Musikschul-Eleven gehen würde. „Mit zwei kleinen Kindern zu Hause ist das eine echte Herausforderung.“ Sie bedauere es sehr, dass Möndels Ausstellung wegen der Schließung des Hauses nun sozusagen zunächst unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinde.
Im Gegensatz zu ihrer Tochter hat Helena Möndel ihr künstlerisches Talent erst spät entdeckt. „Ich wusste gar nicht, dass ich das kann“, sagt sie und scheint sich selbst nach all den Jahren darüber zu wundern, dass es in ihrem davor nur von Erwerbsarbeit geprägten Leben noch einmal eine solche Wende gegeben hat.
Wie viele andere Malschüler („Ich habe bei Professor Hans Schlegel eine fünfjährige künstlerische Ausbildung absolviert.“) hat sich Helena Möndel viele Eindrücke auf Malreisen geholt. Ihre Tochter Sibylle organisierte diese Touren und hatte ein besonderes Gespür dafür, wo sich die Teilnehmenden lohnende Impressionen holen könnten. Auf Santorin hat die Malerin nicht nur visuelle Eindrücke, sondern auch konkrete Materialien für deren Umsetzung gefunden. Für ihre Santorin-Aquarelle hat sie zunächst auf der Leinwand einen Sandgrund vorbereitet und darauf feinste Farbpartikel vom dortigen roten Gestein verwendet. So vermittelt sie einen ganz unmittelbaren Eindruck von sommerlicher Hitze unter südlicher Sonne.
Ganz anders ihre Wolken-Serie, die die Künstlerin selbst „Verplante Wolken“ nennt und bei der ein sattes Blau („meine Lieblingsfarbe“) vorherrscht. Rundliche, übereinander gelagerte weiße Wolkengebilde zeigen Elemente herkömmlicher Aquarelltechnik. Leicht verfließende Flugzeug-Kondensstreifen am Himmel bilden geometrische Muster und zeugen von Möndels Begeisterung für Strukturen. „Natürlich habe ich auch Porträt-Zeichnen studiert“, erklärt sie. Sie habe aber einfach gemerkt, dass ihr alle Arten von Landschaften noch besser liegen.
Für aktuelle Gegebenheiten hat Möndel schon immer ein besonderes Auge gehabt. Während des Sturmes „Lothar“ hat sie in Bad Bellingen windgebeugte Gräser im Bild festgehalten und vermittelt ein faszinierendes Bild dieser Naturgewalt. Die Verwandlung des alten Kornwestheimer Bahnhofs in den heutigen Glasbau am Bahnhofsplatz hat die Malerin beinahe direkt aus der Baugrube heraus festgehalten. Plastische Strukturen auf der Leinwand zeigen, wie sich der Bauschutt damals aufgetürmt hat.
Als Kind einer Generation, die alles verwertet hat, was irgendwie möglich war, haben Helena Möndel die Folgen der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl zutiefst verstört. Eine Zeichnung zeigt einen knackigen Kopfsalat im Abfalleimer, den man wegen der radioaktiven Belastung nicht essen durfte. Aber selbst in einer derartig bedrückenden Situation hat sie den Humor nicht verloren. „Den Salat habe ich in eine Kornwestheimer Zeitung von damals eingepackt. Man kann sogar noch Text darauf lesen.“