Luisa Mannsperger hat sich in ihrer Masterarbeit der Kornwestheimer Innenstadt gewidmet.
Kornwestheim - Wenn’s doch nur so einfach wäre. Das stellte auch der Erste Bürgermeister Daniel Güthler fest. Noch bevor am frühen Donnerstagabend der große Regen einsetzte, war er in die Bahnhofstraße geradelt. Dort, unter dem eher schmucklosen Vordach des Wette-Centers, gab es eine Präsentation zum Thema Innenstadtentwicklung – die dem Vertreter der Rathausspitze zum einen allergrößten Respekt abnötigte. Cafés mit Straßenverkauf, Handwerker, die vor ihren Lädchen ihre Fähigkeiten zeigen, vielleicht eine Kita und schließlich noch entsprechend abgeschirmte Wohnnutzung. Zum anderen manifestierte sich bei Güthler aber auch die Erkenntnis: Vieles, was dort über Luisa Mannspergers Laptopmonitor flimmerte, wird in Kornwestheim kaum zu realisieren sein.
Ausführliche Gedanken
Aber wer ist überhaupt diese Luisa Mannsperger, die sich solch ausführliche Gedanken über die Kornwestheimer Bahnhofstraße, vor allem den Kreuzungsbereich mit der Friedrichstraße, gemacht hat? Die 27-Jährige hat an der Hochschule für Technik (HFT) in Stuttgart ihre Master-Thesis verfasst. Eigentlich tat sie das im Studienfach Innenarchitektur, befasste sich mit neuen Nutzungskonzepten für leer stehende Einzelhandelsräumlichkeiten. „Im Laufe der Arbeit spielte aber die eigentliche Architektur eine immer größere Rolle und schließlich auch der gesamte Stadtraum“, sagt sie. Über verwandtschaftliche Pfade – Onkel und Tante leben hier – stieß sie schließlich auf Kornwestheim und eine Innenstadt, die sie virtuell von Grund auf aufmöbeln konnte. Das gefiel an der HFT auch ihren Prüfern, für ihre Thesis gab’s die Supernote 1,3.
Eingeladen worden war Luisa Mannsperger, die in Göppingen aufgewachsen ist, von der Kornwestheimer SPD. Die wohnte der Präsentation fast in kompletter Fraktionsstärke bei. „Und davon, dass sie in ihrem Konzept die Bahnhofstraße zur Fußgängerzone macht, wussten wir vorab nichts, ehrlich“, versicherte Hans-Michael Gritz, Fraktionsvorsitzender der Sozialdemokraten im Kornwestheimer Gemeinderat. Das Thema brennt der SPD schon lange auf den Nägeln, CDU und Freie Wähler sind dagegen. In regelmäßigen Abständen kommt es aufs Tapet, erst recht, da die Stadt nun mit externer Hilfe und einem Fragebogen in Sachen Innenstadt weiterkommen möchte. 900 Menschen haben sich beteiligt, „überwiegend im Alter zwischen 30 und 69 Jahren – und wenig Jugendliche“, wie Güthler bei der Gelegenheit berichtete. Das sei aber völlig normal. Zwei Drittel der Teilnehmer sehen einen Verbesserungsbedarf.
Reine Fiktion
Darüber hat nun auch Luisa Mannsperger intensiv nachgedacht. „Der Entwurf ist sehr konzeptionell und natürlich reine Fiktion“, sagte sie. Er solle zudem auch auf andere Städte anwendbar sein. So lässt sie die Passanten Schlangenlinien gehen, weg von den Wohnbereichen, die sie mit begrünten Pergolen vom öffentlichen Raum abgrenzt, hin zu den Läden. Den ehemaligen Euroshop, in dem sich aktuell eine Corona-Teststation befindet, hat Mannsperger entkernt und eine Kita mit Atrium eingebaut. Dort, wo einst die Ernsting’s-Filiale war, findet ein Café seinen Platz, im hinteren Bereich mit Platz für den privaten Garten. Und in der ehemaligen Bäckerei Luckscheiter haben sich kleine Gewerbe mit einem Unterstand angesiedelt, sie präsentieren sich den Flaneuren ganz offensiv.
Der Weg öffnet sich in Plätze, eine Rolle spielen Aufenthaltsqualität, Sitzgelegenheiten, Kommunikation. „Für mich gibt es nichts Schöneres, als in einem Café zu sitzen und die Menschen zu beobachten“, sagt Luisa Mannsperger, die bei ihrem Konzept ein ums andere Mal die Gassen in italienischen Städten im Sinn hatte. Bei der Gestaltung des Bodenbelags in recht auffälligem Rot dachte sie allerdings eher an Kopenhagen.
„Visionäre Ansätze sind genau so wichtig wie Trends zu erkennen“, lautete Daniel Güthlers Schlusswort. Dass die Stadt ihre Objekte in der Innenstadt deshalb veräußern könnte, verneinte der Erste Bürgermeister jedoch. „Denn Trends verändern sich vielleicht auch wieder.“
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