Kinderhaus Foto: Marius Venturini

Noch gibt es keine Entscheidung, ob Öffnungszeiten in den Kinderhäusern reduziert werden.

So leicht gibt sich Oberbürgermeisterin Ursula Keck nicht geschlagen. Mit aller Vehemenz wirbt sie auch am Donnerstagabend in der Sitzung des Gemeinderats für eine Reduzierung der Öffnungszeiten in den drei Kinderhäusern Karl-, Neckar- und Bebelstraße. Sie lässt Sybille Freudenmann, Leiterin der Einrichtung in der Karlstraße, erläutern, warum ihrer Ansicht nach eine 10,5-Stunden-Betreuung künftig nicht mehr leistbar ist. Insbesondere für die Betreuung am Nachmittag finde sich kaum Personal, weiß diese zu berichten. Bester Beweis dafür: Seit April würden im Kinderhaus Karlstraße in einer Art Notgruppe Eltern am Nachmittag zusammen mit einer pädagogischen Fachkraft die Betreuung übernehmen. Eine Abkehr vom 10,5-Stunden-Angebot.

Anke Weinreich, Leiterin der Abteilung Kindergärten und Kindertagesstätten, ergreift das Wort und plädiert ebenfalls für kürzere Öffnungszeiten. Und auch die OB listet ihre Argumente ein weiteres Mal auf. Nicht alle Stadträte sind davon aber überzeugt. Im Raum steht ein Antrag der Fraktion Grüne/Linke, auch nach 2024 in wenigstens einem Kinderhaus eine Gruppe mit einer langen Betreuungszeit von zehneinhalb Stunden einzurichten. Darüber abgestimmt werden soll aber erst in der nächsten Sitzung des Gemeinderats im Juni.

Schon zum nächsten Kindergartenjahr will die Stadt die Zahl der Gruppen mit der XXL-Betreuung von zwölf auf nur noch drei reduzieren. Nach einer Übergangszeit von zwei Jahren soll dieses Modul dann ganz eingestellt werden. Neu eingeführt werden sollen stattdessen die Neun-Stunden-Gruppen. Wer eine längere Betreuung wünscht, der müsse seinen Nachwuchs nach Vorstellung der Stadt bei einem privaten Träger anmelden. Der Nachteil: Dort sind die Gebühren teils deutlich höher.

„Wir sind in einer absoluten Notlage“, begründet die Oberbürgermeisterin diesen Schritt in der Gemeinderatssitzung, zu der auch viele Eltern gekommen waren. Die 10,5-Stunden-Betreuung gebe es nur auf dem Papier, nicht in der Realität. Es fehle schlicht Personal. Wenn man jetzt den Weg einschlage, um langfristig die Öffnungszeiten zu reduzieren, dann sorge das für „Verlässlichkeit, Kontinuität und Klarheit“.

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Stadtrat Markus Kämmle, Vorsitzender der Freie-Wähler-Fraktion, widerspricht der Oberbürgermeisterin. Warum haben die freien Träger nicht die Personalprobleme?, will er von der OB wissen. „Wir müssen an kreative Personallösungen denken“, fordert er. Der OB platzt die Hutschnur. „Wenn Sie eine kreative Lösung haben, dann liefern Sie sie bitte ab.“ Kreative Lösung, das sei nur ein Schlagwort. „Das bringt uns nicht weiter.“ Aber auch der FDP-Fraktionsvorsitzende Ender Engin fragt kritisch: „Gehen wir an die Grenze des Machbaren? Sind wir als Arbeitgeber attraktiv?“

Kämmle bohrt noch einmal nach. Können die Beschäftigten, die sich auf eine ganze Stelle und auf Betreuung am Nachmittag einlassen, nicht mit Aussicht auf Wohnraum gelockt werden? Kann man nicht eine Umfrage unter den Betreuungskräften starten, was ihnen besonders wichtig ist? „Wenn man will, kriegt man es irgendwie hin. Die anderen kriegen es auch hin“, sagt der Vorsitzende der Freie-Wähler-Fraktion. Die Oberbürgermeisterin widerspricht. Auch andere Kommunen würden die Öffnungs- und Betreuungszeiten reduzieren. Eine Umfrage will die Kindergarten-Abteilung demnächst starten. „Das steht auf unserer To-do-Liste“, kündigt Anke Weinreich an.

Daniel Joppien (Grüne), selbst Erzieher von Beruf, versucht zu vermitteln. Die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage sei in der Tat immens. „Wenn ich mich auf den Marktplatz stelle und sage, dass ich Erzieher bin, habe ich gleich zehn Jobangebote.“ Womit können also Arbeitgeber punkten? „Erzieher wird man nicht wegen des Geldes, sondern aus Leidenschaft.“ Wichtig sei es, dass man seiner Arbeit nachgehen könne und nicht nur zum reinen Aufpasser werde. Es sei richtig von der Stadt, das Betreuungsangebot anzupassen. Aber sie müsse differenzierter vorgehen, kritisiert Daniel Joppien.