Seit Ostern hängt das Regenbogentransparent über dem Eingang der Kirche, berichtet Pfarrer Franz Nagler. Foto: /Sophia Herzog

Die katholische Kirchengemeinde tritt dem Segnungsverbot von homosexuellen Partnerschaften entgegen.

Kornwestheim - Jesus, sagt Franz Nagler, Pfarrer der katholische Kirchengemeinde Kornwestheim, würde kein Papier schreiben. Er würde zuhören. Nagler lehnt sich auf seinem Stuhl nach hinten, seine Finger spielen mit der Kette eines Stiftehalters auf dem Tisch vor ihm. Hinter Naglers Schulter gibt ein Fenster den Blick auf den Hof vor der Kirche frei, zwischen blühenden Sträuchern blitzen die dunklen Eingangstüren hervor – und ein buntes Plakat, das seit Ostern über dem Portal der Kirche hängt. Es leuchtet in Regenbogenfarben, „Christus ist erstanden“ steht darauf geschrieben. Nagler, der lange Zeit in Südamerika gelebt hat, berichtet während des Gesprächs immer wieder von seiner Zeit im Ausland. „Ich muss sagen, die Kirche dort ist einfach weiter“, findet der Pfarrer. „Glauben Sie im Ernst, dass im Busch in Lateinamerika jemand fragt, ob Homosexuelle nun gesegnet werden dürfen oder nicht?“

Mitte März hatte der Vatikan die Frage, ob die Kirche die Vollmacht habe, gleichgeschlechtliche Paare zu segnen, mit einem klaren „Nein“ beantwortet. Deutschlandweit hatte diese Aussage für Aufruhr gesorgt, viele Katholiken, darunter auch leitende Geistliche, haben seitdem ihren Unmut über das Schreiben kundgetan. Mit dem Transparent tut das nun auch die katholische Gemeinde in Kornwestheim. Ob die Regenbogenfarben eine direkte Antwort auf das Segnungsverbot sind? „Ja, natürlich“, sagt Nagler. Man habe die Farben ganz bewusst gewählt. „Das Papier des Vatikans hat viele Menschen aufgewühlt, sehr zornig gemacht, verletzt. Das kann man nicht einfach übergehen.“

Das Transparent soll zeigen: Der Inhalt des katholischen Glaubens gilt für alle

Man habe nicht einfach platt sagen wollen, das man für oder gegen die Segnung homosexueller Paare sei, erklärt Nagler. Das Transparent in Verbindung mit dem Zitat solle vielmehr Zeichen dafür sein, dass der Inhalt des katholischen Glaubens für jedermann gilt. „Der eine ist Bäcker, der andere ist Maurer, der eine ist verheiratet oder nicht, der andere ist homosexuell oder bisexuell“, bestätigt Nagler. „Es gibt eine ganze Bandbreite von Lebensentwürfen, die alle Platz haben müssen.“ Das Wesen des Christentums sei es nicht, Normen aufzustellen, „Wir müssen nicht meinen, die Deutungshoheit über Gebiete wie Sexualität zu haben.“ Viel eher müsse man den Menschen dazu verhelfen, ein Leben in Fülle zu finden. Eine Segnung würde er deshalb nie jemandem verweigern. „Wenn es eine religiöse Motivation der Personen gibt, dann ist das gar keine Frage für mich.“

Das schlimmste an der Sache, das sei die Ansage von oben, findet Nagler. „Wir kriegen was vor den Latz geknallt, und sollen uns dazu verhalten. Da ist das Gespräch abgebrochen.“ Die katholische Kirche in Deutschland, fügt er hinzu, habe ein ganz großes Problem: „Wir wollen Erlaubnis.“ Weil aber die katholische Kirche eine Weltkirche sei, könne ein ausformuliertes Kirchengesetz nicht für alle Länder passen. Vielmehr wünscht sich Nagler, dass die katholische Kirche und insbesondere der Vatikan Leitlinien an die Hand geben, über die diskutiert und sich ausgetauscht wird. „Ich denke, da muss die Kirche klüger werden und Dinge offener formulieren.“ Offene Gespräche und Diskussionen, die gebe es zumindest in der Kornwestheimer Gemeinde, berichtet der Pfarrer. Auf das bunte Transparent über der Kirchentür sei er schon häufig angesprochen worden, das Feedback bisher immer: „Finde ich gut.“

Auch im Kirchengemeinderat herrscht Unverständnis für die Ansage aus dem Vatikan

Auch im Kirchengemeinderat habe man jüngst über die Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare gesprochen. „Es hat alle getroffen und alle haben Unverständnis über dieses Schreiben geäußert“, bestätigt Nagler. Nun wolle man ein Schreiben an die Diözese formulieren, in dem die Kornwestheimer Gemeinde Stellungnahme bezieht. Die Diözese Rottenburg-Stuttgart hat übrigens selbst jetzt ihre Meinung kundgetan: Am Freitag beteuerte Weihbischof Matthäus Karrer gegenüber der Schwäbischen Zeitung, dass Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare durch das Papier aus Rom zumindest in der württembergischen Diözese nicht infrage gestellt werden. Es gebe auch keine Strafen: „Wir sanktionieren keine Segnungen“, heißt es von Karrer.

Um Sanktionen aus der Diözese wegen der Trauung gleichgeschlechtlicher Paare muss sich die katholische Kirchengemeinde Kornwestheim also erst einmal keine Sorgen machen. Unterdes bleibt auch das Regenbogentransparent noch einige Zeit: Zumindest bis Pfingsten soll es über dem Eingang von St. Martinus hängen, berichtet der Pfarrer. „Wir müssen versuchen, die Botschaft Jesu lebendig zu halten“, sagt Nagler noch abschließend. „Aber immer in Beziehung zu den Herausforderungen und Themen unserer Zeit.“