Patrick Pressel (links) Foto: Katharina Sauter

Christian Ruckh arbeitet bei Holzbau Muny. Er möchte später einmal Architektur studieren.

Kornwestheim - Den meisten Leuten ist die Abkürzung FSJ ein Begriff. Die drei Buchstaben stehen für „Freiwilliges Soziales Jahr“. Schüler, die nach ihrem Abschluss nicht wissen, was genau sie später einmal werden möchten, Jugendliche, die einfach eine Pause machen und die Zeit überbrücken oder die sich ein Jahr sozial engagieren wollen – sie alle können ein FSJ, ein freiwilliges Soziales Jahr, absolvieren. Häufig arbeiten sie dafür in einem Kindergarten, einem Altenheim, in einer Grundschule oder im Krankenhaus. Es gibt allerdings auch andere, etwas ungewöhnlichere Alternativen für das FSJ: die Jugendbauhütten zum Beispiel.

Sie sind ein Projekt der Deutsche Stiftung Denkmalschutz in Trägerschaft der Internationalen Jugendgemeinschaftsdienste. Jugendliche, die dort ihr FSJ absolvieren, arbeiten in der Denkmalpflege. Die Kornwestheimer Firma Holzbau & Schreinerei Muny, die unter anderem auf die Restauration historischer Gebäude spezialisiert ist, nimmt an dem Projekt teil und hat seit diesem September den FSJler Christian Ruckh bei sich. Er hat in diesem Jahr sein Abitur gemacht, möchte im kommenden Jahr ein Architekturstudium beginnen. Der junge Mann suchte etwas für die Monate dazwischen und stieß auf die Jugendbauhütten. „Ich war direkt begeistert von der Idee und mir auch sicher, dass ich aus einem Jahr im Handwerk am meisten Erfahrung mitnehmen kann“, berichtet er. Also entschied er sich nicht für ein Praktikum in einem Architekturbüro, sondern für das handwerklich orientierte FSJ.

Und er ist sich sicher, dass das auch die richtige Entscheidung war. „Bisher gefällt mir auch alles wirklich gut“, sagt Christian Ruckh. Am meisten begeistere es ihn, wie abwechslungsreich die Arbeit sei. Er schleppe schwere Balken und dann gehe es darum, einen Meterriss zu erstellen, bei dem er auf den halben Millimeter genau arbeiten müsse. „Es ist zwar sehr anstrengend. Ich muss jeden Morgen sehr früh aufstehen, da ich eine Stunde Anfahrt habe. Aber es macht Spaß“, sagt er und zieht eine erste Zwischenbilanz.

Der Muny-Geschäftsführer und Zimmermeister Patrick Pressel wirft lachend ein: „Körperliche Arbeit ist anstrengend. Man hat doppelt so viel Hunger und ist immer müde.“ Auch David Nonnenmann, Bildungsreferent der Internationalen Jugendgemeinschaftsdienste und Leiter der Jugendbauhütte in Baden-Württemberg, weiß um die Anforderungen. „Für die meisten Jugendlichen ist das FSJ der erste Kontakt mit der Berufswelt“, erklärt er. „Am Anfang müssen sie oft noch in den Beruf finden, aber in der zweiten Jahreshälfte wird es dann wirklich spannend für sie. Dann können sie schon viel selbstständiger arbeiten und haben ein Gefühl für das Handwerk entwickelt.“

David Nonnenmann ist von Anfang an bei der Jugendbauhütte in Baden-Württemberg dabei, die es schon zwei Jahre gibt. „Es war ein relativ langer Prozess, ein Freiwilliges Soziales Jahr im Denkmalschutz zu rechtfertigen.“ Das Problem: Die Unternehmen, in denen die FSJler arbeiten, sind privatwirtschaftlich orientiert. Das Freiwillige Soziale Jahr ist aber ein Angebot der öffentlichen Hand. Da viele der Betriebe aber auch Kommunen, Kirchen oder Verbände als Auftraggeber hätten, habe man das FSJ im Denkmalschutz dann doch realisieren können. Allerdings wissen nur wenige, dass ein FSJ in der Denkmalpflege möglich ist. „Deshalb sind wir sehr darauf angewiesen, dass sich das herumspricht“, betont Nonnenmann.

Wie jeglicher Alltag hat sich auch der Ablauf des FSJ bei der Jugendbauhütte durch Corona verändert. „Die Jugendlichen haben in dem Jahr insgesamt 30 Bildungstage, verteilt auf sechs Seminare“, sagt Nonnenmann. Im September fanden zwei davon bereits planmäßig statt, nun aber sind sie ausgesetzt. „Die FSJler aus verschiedenen Bereichen treffen dort aufeinander. Die einen sind in einer Schreinerei oder in einem Bauunternehmen, die anderen verbringen das Jahr bei einem Steinmetz. Der Austausch ist sehr wichtig“, so Nonnenmann.

Auch Christian Ruckh wünscht sich, dass die Seminare möglichst schnell wieder als Präsenzveranstaltungen stattfinden können. „Wir verstehen uns bei den Seminaren sehr gut und tauschen vieles untereinander aus. Wir arbeiten und lernen zwar dort, aber haben trotzdem viel Spaß gemeinsam. Ich fände es sehr schade, wenn das alles online stattfinden müsste“, erzählt er. Im Betrieb selbst gelten auch strenge Coronaregeln. Insgesamt ist die Situation aber einfacher, weil viel an der frischen Luft gearbeitet wird.“