Vier Schauspieler auf der Casinobühne: Ohne Requisiten brachten sie, unterlegt von Cellomusik, dem Publikum die Schicksale von Flüchtlingen näher. Foto: Mateja fotografie

Um die Geschichten von Geflüchteten ging es bei den „Mittelmeer-Monologen“.

Kornwestheim - Warum verlassen Menschen ihre Heimat, um in Europa ein besseres Leben zu führen? Um diese Frage ging es bei einem Theaterabend im Casino. Das Landratsamt Ludwigsburg und das Forum der Kulturen Stuttgart hatten in Zusammenarbeit mit zahlreichen Kooperationspartnern ein vielfältiges Programm zusammengestellt, um für die Themen Flucht und Migration zu sensibilisieren. Denn nach Meinung der Veranstalter wird im täglichen Zusammenleben immer wieder deutlich, wie wichtig es ist, sich im Gespräch gegenseitig kennenzulernen. Im Zusammenhang mit der Veranstaltungsreihe „An(ge)kommen im Landkreis Ludwigsburg“ wurde deshalb gemeinsam mit der Stadt Kornwestheim das dokumentarische Theater „Mittelmeer-Monologe“ von der „Bühne für Menschenrechte“ in der Aldinger Straße aufgeführt.

 

Hintergrund des Schauspiels ist die laut Veranstalter feindliche Politik gegenüber Geflüchteten. Michael Ruf, Autor und Regisseur, war ebenfalls anwesend. Einleitend sprach der Autor darüber, wie das Theaterstück entstanden ist: Mit betroffenen Flüchtlingen wurden Interviews geführt, die mehrere Stunden, teilweise sogar mehrere Tage gedauert haben. Wichtig dabei war, betonte er, dass nichts hinzuerfunden wurde. Lediglich verkürzt oder verdichtet wurden die Interviews unter Beibehaltung der sprachlichen Ausdrucksweise der Gesprächspartner. Anschließend wurden die Aussagen zu Monologen umgeformt.

Mittelmeer, wer denke da nicht zuerst an Urlaub mit viel Sonne und schöne Sandstrände, meinte Oberbürgermeisterin Ursula Keck in ihrer Begrüßung. Auf der gefährlichen Überfahrt auf hoher See von Nordafrika nach Europa hätten Flüchtlinge aber ganz andere Empfindungen in sich getragen, fügte sie hinzu.

Warum Menschen ihr Herkunftsland verlassen, um in der Fremde ein besseres und sicheres Leben führen zu können, erklärt das Bühnenstück anhand von Schicksalen. Die vier Schauspieler auf der Bühne im Casino hatten keinerlei Requisiten, sie sollten allein mit authentischen Texten glaubhaft die Emotionen der Flüchtlinge den Besuchern nahebringen. Durch ein immer wieder einsetzendes Cellospiel wurden dramatische Stimmungen zusätzlich verstärkt. Die Monologe wurden in Deutsch vorgetragen und parallel dazu mit Untertiteln in englischer, französischer und arabischer Sprache gezeigt.

Naomi aus Kamerun kann sich in der männerdominierten Gesellschaft ihren Traum von einer Fußballkarriere nicht erfüllen und erzählt: „Bei Misserfolgen bist du das Kind deiner Mutter und wenn du Erfolg hast, das Kind deines Vaters.“ Als an ihrer kleinen Tochter das grausame Ritual der Beschneidung vorgenommen werden soll, beschließt sie, mit ihr die gefährliche Fahrt über das Mittelmeer anzutreten. In Seenot geraten, verliert sie ihr Kind bei der Überfahrt jedoch für immer.

Auch Yassin, der Ingenieurwesen in Libyen studierte, verlässt seine Heimat, ein vom Bürgerkrieg zerrissenes Land, in dem rivalisierende Milizen auch Zivilisten töten. Er möchte seiner großen Liebe Amal und der gemeinsamen Tochter ein besseres Leben bieten. Auf hoher See setzt er Notrufe ab und hat Todesangst, von der libyschen Küstenwache wieder aufgegriffen zu werden. Selma, die am Alarm-Phone die panischen Schreie von Yassin und seiner Familie anhört, ist ebenfalls verzweifelt: Hat sie das kleine Boot dahin geschickt, wo Joe auf dem Rettungsschiff Sea-Watch Ausschau nach in Seenot geratenen Flüchtlingen hält? Und kann er sie noch rechtzeitig aufnehmen, bevor sie vielleicht kentern?

Die Zuschauer hatten offensichtlich Schwierigkeiten, sich in die anschließende Gesprächsrunde aktiv mit einzubringen. „Ich bin emotional noch zu sehr gefangen und muss das erst verarbeiten“, flüsterte ein Besucher. Dafür lobten Oberbürgermeisterin Ursula Keck, Martha Albinger von der Fachstelle Asyl und Michael Ruf ausdrücklich die Arbeit der ehrenamtlich engagierten Menschen, die den oft schwer traumatisierten Flüchtlingen zur Seite stehen. Die notwendige formelle Arbeit würden Behörden erledigen – Verständnis und menschliche Zuwendung erhielten die Asylsuchenden aber von den Bürgern.