Der Bürgerverein informiert über den Nordostring. Das Interesse war riesig.
Kornwestheim - Dass die Veranstaltung auf Interesse stoßen würde, das hatte Horst Allgaier, Vorsitzender des Bürgervereins und maßgeblicher Organisator der Veranstaltung, erwartet. Dass es aber so groß sein würde, das hat auch ihn überrascht. Sämtliche Steh- und Sitzplätze waren am Dienstagabend im Versammlungssaal der Galerie belegt. Die Menschen saßen sogar auf dem Boden. „So voll“, staunte auch Baubürgermeister Daniel Güthler, „habe ich den Galeriesaal noch nie erlebt.“ Referenten aus ganz unterschiedlichen Bereichen erläuterten, warum sie den Nordostring, der die B 14 in Fellbach mit der B 27 in Kornwestheim verbinden soll, ablehnen.
Das Straßenbauprojekt befindet sich im Bundesverkehrswegeplan in der Einstufung „Weiterer Bedarf“. Das heißt: Es darf geplant werden, der Bund geht aber nicht davon aus, dass er in den kommenden zehn Jahren den Bau dieser Straße finanzieren kann.
Die Gegner befürchten eine autobahnähnliche, vierspurige Straße – zwölf Kilometer lang und 31 Meter breit. Nach Überquerung des Neckars führt der Nordostring am Sonnenhof vorbei über die Felder südlich der Heidenburgstraße bis zum Zazenhäuser Grund, wo die Straße in Form einer Trompete mit der B 27 verknüpft wird. Allein diese Anschlussstelle, so Joseph Michl von der Arge Nordost, die seit Jahren gegen die Pläne kämpft, beanspruche eine Breite von 400 Metern. Zwischen Stuttgart-Mühlhausen und Kornwestheim werde ein sieben Quadratkilometer großes Grüngebiet zerschnitten, erläuterte Michl.
Die Gegner des Straßenbauprojekts kommen aus ganz unterschiedlichen Ecken. Sie alle hatten am Dienstagabend die Gelegenheit, in kurzen Statements ihre Bedenken zu formulieren.
Joseph Michl von der Arge Nordost kennt die Pläne aus dem Effeff. Er prophezeit, dass im Bereich Kornwestheim 63 000 Fahrzeuge täglich über den Nordostring rollen, in Fellbach und auf der Neckarbrücke werden es sogar 70 000 sein. Mit der Straße entstehe eine neue Verkehrsbindung, „die es heute noch nicht gibt“, eine Alternative zur A 8 im Süden und A 6 im Norden. Natürlich, räumt Michl ein, würden Bereiche auch profitieren, aber nicht in dem Maße, wie es sich manche erhoffen würden. Auf der Aldinger Straße in Kornwestheim könnten 9000 Fahrzeuge täglich weniger gezählt werden, auf der bestehenden Neckarbrücke in Remseck würde der Verkehr um 10 000 Fahrzeuge abnehmen, auf der Neckbarbrücke in Stuttgart-Hofen um 6000 Fahrzeuge. Im Saldo würden aber immer noch 51 000 Lkw und Pkw mehr über den Neckar rollen.
Aus Kornwestheim, Fellbach und aus Stuttgart waren die Baubürgermeister zur Veranstaltung des Bürgervereins gekommen. Die drei Kommunen sprechen sich gegen den Bau des Nordostrings aus. Es sei ein Trugschluss, so Daniel Güthler (Kornwestheim), dass durch den Nordostring Fahrzeiten verkürzt würden. Die Straße werde nicht dazu führen, dass andernorts der Verkehr flüssiger fließe. Die Alternative zum Nordostring? Güthler verwies auf die Bemühungen der Städte in der Region, den Öffentlichen Personennahverkehr zu verbessern. Als „Jahrzehnte altes Relikt“ bezeichnete Beatrice Soltys (Fellbach) den Nordostring, ihr Kollege Peter Pätzold (Stuttgart) sagte es so: „Wir rühmen uns als Innovationsregion und kommen mit einem 50 Jahre alten Projekt aus der Mottenkiste.“ Er erinnerte daran, dass Stuttgart in Mühlhausen mit Schafhausen ein neues Wohngebiet plane, das ganz in der Nähe zum Nordostring liege. Pätzold ironisch: „Die Bewohner werden sich freuen.“
Rolf Bayha, der Obmann der Kornwestheimer Landwirte, rechnete vor, dass inklusive der erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen 35 Hektar an landwirtschaftlicher Fläche verloren gehen würden. Rein rechnerisch gesehen, würde damit einem landwirtschaftlichen Betrieb die Existenzgrundlage entzogen. Er erinnerte auch daran, dass die Feldwege „die größte Sportanlage Kornwestheims“ seien. Sie würden intensiv von Radfahrern, Inlinern und Spaziergängern genutzt. Landwirt Dr. Jochen Brust aus Mühlhausen hob die herausragende Qualität der Böden hervor. Es gebe in Deutschland kaum einen besseren Boden, lobte er.
Manch ein Zuhörer war bass erstaunt, welche Vielfalt an Tieren auf den Feldern leben. Füchse, Rebhühner, Fledermäuse, Feldlerchen, Dachse, Wiesel, Iltis – all das finde sich zwischen Mühlhausen und Kornwestheim. Bemerkenswert sei die Wildhasenpopulation, so Klaus Lachenmaier vom Landesjagdverband. Die sei südwestlich von Kornwestheim so hoch wie sonst kaum im Land. Die Hasen fänden dort gute Lebensbedingungen vor.
Werner Gottstein vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hatte sich mit Bus und Bahn von Bopfingen auf den Weg nach Kornwestheim gemacht, um zu verdeutlichen, dass der Nordostring Teil einer „Parallelautobahn“ zur A 8 und A 6 sei. Auch in seiner Heimatregion wehre man sich massiv gegen den Ausbau von Bundesstraßen.
Bernd Mathe, Sprecher des Kornwestheimer Ortsvereins, mahnte die Zuhörer, ihr eigenes Verhalten zu überdenken. Jeder könne dazu beitragen, dass der Verkehr reduziert werde, sagte er – sei es, dass man die Kinder nicht mehr mit dem Auto zur Schule bringe oder dass man nicht drei, vier Sachen online bestelle, um die Hälfte davon wieder zurückschicken.
Diese Frage stellte ein Zuhörer zum Abschluss des von Lutz Feufel, stellvertretender Vorsitzender des Bürgervereins, moderierten Abends. Mit Politikern sprechen, Leserbriefe schreiben, den Widerstand organisieren, lautete die Antwort der Referenten. Es müsse deutlich werden, dass die Straße nicht gewollt sei.
Für eine kurze musikalische Unterbrechung der Informationsveranstaltung sorgte übrigens Jens Heckermann von den Füenf. Er sang die Schwaben-Hymne „Wir im Süden“.