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Der Lerncoach Tobias Roese hat mit Schülern darüber geredet, was die Pandemie mit ihnen macht.

Kornwestheim - Der Kornwestheimer Lerncoach Tobias Roese hat rund 100 Schüler aus der Region dazu befragt, wie für sie das Lernen in Corona-Zeiten funktioniert – und wie sie sich ihre Schulen und den Unterricht nach der Pandemie vorstellen. Aus den Ergebnissen will er ein Lernkonzept für Lehrerfortbildungen entwickeln.

Wie kamen Sie auf die Idee, Schüler zu Corona zu interviewen?

In den vergangenen 15 Monaten habe ich die mit der Pandemie mit sich bringenden Probleme bei den Schülern wahrgenommen. Da habe ich an einem Konzept gearbeitet, welches zu Beginn des neuen Schuljahres starten sollte. Doch wollte ich auch die Schüler selbst dazu befragen. Es sollte nicht nur „über den Schülerkopf hinweg“ geplant werden.

Mit welcher Methodik sind Sie das angegangen?

Ich habe einen festen Fragenkatalog erstellt. Etwa: „Was findest du besser: Präsenzunterricht oder Homeschooling?“, oder: „Welche Dinge vermisst du im Homeschooling am meisten?“ Des Weiteren bin ich auf die mentale Situation, die Motivation und die Lernstruktur eingegangen. Zunächst habe ich mit Fragebögen gearbeitet, aber die Antworten waren nicht wirklich brauchbar – also habe ich Interviews geführt. Eine klassische Statistik aufzustellen, habe ich verworfen – die Unterschiede zwischen den Schultypen waren zu groß. Am Ende habe ich die Antworten gesammelt und schaue, was ich aus den ganz verschiedenen Ansätzen und Meinungen herausfiltern kann für mein Konzept. Insgesamt habe ich mit mehr als 100 Schülern aus der Region gesprochen.

Was sind die Kernergebnisse Ihrer Umfrage?

Bei den Ergebnissen muss man natürlich das Alter berücksichtigen. In allen Altersklassen gab es zwei Punkte, die man als besonders wichtig beachten muss: ein massiver Motivationsverlust und die fehlende oder verloren gegangene Lernstruktur. Man kann nicht von einem Siebtklässler erwarten, dass er weiß, wie er wann, wo und wie zu lernen hat. Schüler der Unterstufe haben das Lernen noch gar nicht gelernt und Ältere haben es wieder „verlernt“. Sehr viele Schüler fühlen sich mental überfordert. Grundsätzlich gibt es auch den starken Wunsch nach Motivation und Feedback. Vor der Pandemie freuten sich Schüler über Unterrichtsausfälle mehr als heute, während sich heute viel mehr echtes Noten-Feedback wünschen oder auch Probearbeiten schreiben wollen, um zu sehen, wo sie stehen. Wenig überraschend war, dass jene Schüler, die schon vor der Pandemie mehrere Stunden am Tag vor dem Bildschirm verbracht haben, größere Schwierigkeiten mit der Situation hatten, als jene, die mehr draußen waren und mehr Sport getrieben haben.

Was haben die Pandemie und das Homeschooling mit den Schülern gemacht?

Viele Schüler haben auf diese Frage mit einem Wort geantwortet: Sie mussten „selbstständiger“ werden. Überraschend hoch war – trotz des Wunsches nach persönlichem Feedback – für mich die Zahl der Schüler, die das Homeschooling weiterhin bevorzugen würden. Vor allem Schüler, die gemobbt werden und solche, die ohnehin viel Zeit vor dem Computer verbringen, haben sich mit dem Homeschooling angefreundet – etwa jeder zehnte. Sie fühlen sich in ihrem Zimmer sicher und geborgen, diese Schüler müssen wir wieder besonders abholen. Auch sind viele Schüler bequemer geworden, machen nur noch das Nötigste. Dazu muss man bedenken, dass das Gehirn erst mit etwa 16 Jahren begreifen kann, dass es für das eigene Leben lernt.