Dries Depoorter Foto: Melanie Bürkle

Eine Kunstaktion vorm Museum stellt die Frage, wer wen beobachtet.

Kornwestheim - Abrupt bleibt der Mann stehen. Hat da gerade wer gesprochen? Er starrt nach oben, direkt in die Kamera. Und die spricht mit ihm: „Ich sehe einen Mann auf dem Gehweg.“ Verblüfft zückt der Herr sein Mobiltelefon und macht ein Bild von Kamera samt Lautsprecher an dem über zwei Meter hohen Mast. Er wartet noch ein paar Sekunden. Er lächelt, ist aber sichtlich erschrocken. Dann geht er weiter. Wer hat hier eigentlich wen beobachtet?

Nur wenige Minuten zuvor hatte er belgische Künstler Dries Depoorter im Beisein von Oberbürgermeisterin Ursula Keck und Museumsleiterin Saskia Dams den „Surveillance Speaker“ vor dem Kleihues-Bau vorgestellt. Im Rahmen des Festivals „Unter Beobachtung“ der Kulturregion Stuttgart wird die sprechende Kunstinstallation bis zum 18. Oktober auf dem Kornwestheimer Marktplatz bleiben und mit den Menschen in Kontakt treten.

„Wo sind die Grenzen der Überwachung und in welcher Qualität dürfen beispielsweise Daten gespeichert werden? Das sind Fragen, die mir dazu einfallen“, so die OB. Schließlich wollten mittlerweile doch alle genau wissen, was mit den eigenen Daten heutzutage passiere. Zumindest was die von dieser Kamera gesammelten Daten betrifft, droht nach Auskunft von Dams keine Gefahr: „Die Daten hier werden nur die zehn Sekunden zur Verarbeitung gespeichert.“ Eine kleine Tafel neben dem Kunstwerk, das keineswegs wie ein solches aussieht, erläutert das.

Zum wiederholten Mal beteiligt sich die Stadt Kornwestheim an der Kunstaktion der Kulturregion. „Uns war klar, dass wir nichts hinter verschlossenen Türen machen, sondern ein Highlight vor dem Museum präsentieren wollen“, erklärte Dams. Und das wird der Speaker in den nächsten Wochen sicherlich werden. Depoorter berichtete von lustigen Begebenheiten mit der Kamera. Gleich bei der ersten Ausstellung habe sie beispielsweise Zwillingsmädchen eingefangen und die Szene folgendermaßen kommentiert: „Ich sehe ein Mädchen, dass ein Selfie von sich im Spiegel macht.“

Die erste Ausstellung, das war 2018. Seitdem hat Depoorter sein Werk immer wieder verbessert. „Wir haben die Sprache natürlicher und fließender gemacht“, so der Belgier. Außerdem arbeite man auch an der Technik. Und während der 29-jährige Künstler davon berichtete, drehte sich sein Werk fleißig weiter um volle 360 Grad und war kaum noch zu bremsen: „Ich sehe ein Mädchen auf dem Gehweg.“ „Ich sehe eine Gruppe Menschen.“ „Ich sehe eine Pflanze vor einem Gebäude.“ Der Computer ist so programmiert, dass er jeden Satz mit „Ich sehe“ oder „Ich denke, ich sehe“ beginnt.

Von 13 bis 18 Uhr wird der Surveillance Speaker nun täglich „on air“ sein und kommentieren, was er wahrnimmt. Und sicherlich wird er für die eine oder andere Irritation sorgen, aber auch für Lächeln. Genau das ist es, was sich Dries Depoorter mit der Aktion erhofft. Er wünscht sich, dass die Passanten mit der Installation interagieren und herausfinden, was die Kamera erkennen kann und was nicht. Ob die Betrachter das auch zum Anlass nehmen, über den Schutz der eigenen Privatsphäre nachzudenken oder einfach nur fasziniert von der Technik sind, das bleibt jedem selbst überlassen.