Die Info-Veranstaltung zur exhumierten Nordostring-Idee interessiert viele Kornwestheimer.
Kornwestheim - Passend gewählt war er, der Ort, an dem die Informationsveranstaltung der Arge Nordost und des Kornwestheimer Bürgervereins anberaumt war: Vom Saal des Thomasgemeindehauses schweift der Blick über den Garten auf die Felder in Kornwestheims Südosten.
Genau dorthin also, wo, wenn es nach Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) geht, einmal mehr als 60 000 Fahrzeuge täglich durchrauschen sollen – diese Zahl bezieht sich allein auf den Nordostring-Abschnitt zwischen Remseck und Kornwestheim. Denn die abgeschrieben geglaubten Planungen für eine Nord-Ost-Verbindung für die Region Stuttgart hat es auf sinistren Wegen in den aktuellen Bundesverkehrswegeplan (BVWP) zurück geschafft (unsere Zeitung berichtete).
Aber mit den Zahlen ist es ohnehin so eine Sache. Joseph Michl, Vorsitzender der Arge Nordost, zweifelte bei der Info-Veranstaltung am Montagabend die Seriosität der Basisdaten, auf deren Grundlage die Planungen wieder aufgenommen werden sollen, aus nachvollziehbaren Gründen an.
Im Bundesverkehrswegeplan 2003 habe, so Michl, die Prognose für den Verkehr auf der neuen Neckarbrücke bei 70 000 Fahrzeuge pro Tag gelegen. Nach neuer Planung sind es im Jahr 2030 aber nur noch 45 000 Fahrzeuge pro Tag. Dennoch behaupteten die aktuellen Planungen, das Nutzen-Kosten-Verhältnis, das die Wirtschaftlichkeit der neuen Straße beschreibt, sei von 9,8 auf 10,6 gestiegen, und das, obwohl der Nordostring mittlerweile 203 statt 102 Millionen Euro kostet.
Überhaupt macht die Arge Nordost bei den Verkehrszahlen, auf denen die Berechnungen fußen, immer wieder Widersprüche fest. Für die B 10 /B 27 in Zuffenhausen werden für das Jahr 2030 nur 31 000 Fahrzeuge pro Tag prognostiziert. Nach Angaben der Stadt Stuttgart, die dort Zählungen hat vornehmen lassen, lag die Zahl dort aber schon im Jahr 2011 bei 63 000 Fahrzeugen täglich.
Für den Rosensteintunnel, der derzeit im Zuge der B 10 gebaut wird, werden sogar nur 7000 Fahrzeuge pro Tag ausgewiesen. Nach den Stuttgarter Gutachten sind es hingegen mehr als 67 000. „Den Bürgern solche Zahlen zu präsentieren“, meinte Joseph Michl, „das ist schon gewagt. Ich könnte Ihnen noch viele Beispiele nennen. Da stimmt’s vorne und hinten nicht.“ Überhaupt enthalte der Plan allein orthografisch „dermaßen hanebüchene Fehler, dass klar ist: Der Text wurde nicht einmal mehr korrekturgelesen. Einer hat es eingetippt, und kein Zweiter hat mehr drübergeschaut. Das ist mit absolut heißer Nadel gestrickt.“
Auch dass die Trassenführung für den Nordostring – es handelt sich um die so genannte C-1-Trasse aus dem Jahr 2004 – „1:1 und fast grundstücksgleich“ in den BVWP übernommen worden sei, obwohl inzwischen mehr als ein Jahrzehnt ins Land gegangen ist, mache schon stutzig, fand Michl, dem rund 100 Zuhörer aufmerksam folgten – darunter auch einige Stadträte und Baubürgermeister Daniel Güthler.
Dieser sprach der Arge Dank für ihre „fundierte und ausführliche“ Arbeit aus. Er erachte es als sehr wichtig, sagte der Baubürgermeister, dass Bürgerverein und Arge sich schnell aktiviert hätten, „denn jetzt werden die Grundlagen gelegt, und jetzt muss man sich artikulieren“. Er finde den Vorgang, dass eine Maßnahme, die das Land aus guten Gründen ad acta gelegt habe, nun plötzlich im Bundesverkehrswegeplan wieder auftauche, „durchaus bemerkenswert“. Dabei zögen neue Straßen neuen Verkehr an und verhinderten intelligente kleinräumige Lösungen. Und Kornwestheim würde durch den massiven Auffahrtsbau seine städtebaulichen Optionen im Süden der Stadt verlieren.
Er sei angesichts der an diesem Abend dargelegten Fakten erneut schockiert über das Nordostring-Ansinnen, sagte Daniel Güthler. So hatte Michl aufgezeigt, was der Ring alleine lärmtechnisch für den Südosten und den Süden Kornwestheims bedeuten würde. „Kornwestheim-Süd würde bis in die Wohngebiete hinein massiv verlärmt werden“, so der Arge-Vorsitzende. Im krassen Gegensatz dazu stehe die Aussage im Bundesverkehrswegeplan, „null Bürger seien zusätzlich von Lärm belastet“.
Ganz zu schweigen von der Zerstörung eines relevanten Naherholungsgebietes, kostbaren landwirtschaftlichen Bodens und Tier-Lebensräumen, so Michl. Und vom Dreck: „Selbst mit den zu niedrig angenommenen Verkehrszahlen würden nach den Aussagen des Bundesverkehrswegeplanes durch den Nordostring zusätzlich etwa 5700 Tonnen Kohlenstoffdioxid pro Jahr ausgestoßen.“
Mit guten Argumenten dagegenhalten – das sei es, was jeder mündige Bürger angesichts der Planungen tun könne. „Noch bis 2. Mai können Sie beim Bundesverkehrsministerium Stellung nehmen“, informierte Joseph Michl die Zuhörer. Er mahnte an, dies auf sachliche Art, mit begründeten Einlassungen und mit Bezug zum Bundesverkehrswegeplan 2030 zu tun. Der Nordostring sei zwar nicht im vordringlichen, sondern im weiteren Bedarf eingeordnet – aber mit Planungsrecht. Und Letzteres sei „brandgefährlich“, sagte Joseph Michl. Denn segne das Parlament den BVWP so ab, habe er plötzlich Gesetzesrang. „Dann macht das Regierungspräsidium die Bauplanung fertig, und wenn irgendwann Geld zur Verfügung steht, liegen da baureife Pläne in der Schublade.“