Die Kornwestheim-Flagge ist eingezogen worden: Der Vogelhof wird zu einem Seminarzentrum. Foto: Archiv/Susanne Mathes

Das frühere Schullandheim wird zum Seminarzentrum – offenbar hauptsächlich für Männer.

Kornwestheim - Nun ist er für Kornwestheim Geschichte. Der Vogelhof, sieben Jahrzehnte im Eigentum des Schullandheim-Vereins Kornwestheim und Ziel unzähliger Schulfahrten von Jungen und Mädchen aus der Salamanderstadt, hat den Besitzer gewechselt. „Schweren Herzens“ habe man sich von diesem Anwesen getrennt, sagt der Vereinsvorsitzende Erwin Holzbaur. „Es ist wirklich schade um das mit viel Idealismus und ehrenamtlichem Engagement betriebene Schullandheim. Aber aus kaufmännischer Sicht gab es keine Alternative zum Verkauf.“

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Dass sich ein Schullandheim nicht mehr rechnet, war abzusehen. Immer seltener hatten die Kornwestheimer Schulen einen Aufenthalt auf der Schwäbischen Alb, nahe bei Ehingen-Erbstetten gelegen, gebucht. Und wenn, dann blieben sie nicht eine Woche, sondern nur wenige Tage. „Offensichtlich ist der klassische Aufenthalt im Schullandheim aus der Mode gekommen“, sagt Erwin Holzbaur. Schon vor Jahren hatte der Vereinsvorsitzende berichten müssen, dass die Belegungen unter der Woche massiv zurückgegangen seien. Und von Wochenendbelegungen allein – zumeist buchten Vereine und Jugendgruppen den Vogelhof – lasse sich ein solches Haus nicht halten.

Verein hat viel unternommen

Und dabei hatte der Verein viel unternommen, um das Schullandheim zeitgemäß zu gestalten. Er hatte unter anderem eine Kletterwand installiert und die Scheune zur Mehrzweckhalle umgebaut. Vor zehn Jahren wurden die Sanitäranlagen erneuert, und die Gemeinschaftsdusche im Erdgeschoss zu einem behindertengerechten Zimmer umgebaut. Das Geld – im Laufe der Jahre mehrere 100 000 Euro – kam zumeist in Form von Darlehen von der Stadt Kornwestheim. Es hat alles nichts genutzt. Die Schulen blieben aus, die Zimmer leer. Im Jahr 2019 entschloss sich der Verein, das Schullandheim aufzugeben und den Vogelhof zu verkaufen.

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Leichter gesagt als getan, wie auch die lange Zeit zeigt, die der Verein nach einem Käufer suchte. Der Wunschpreis belief sich auf 750 000 Euro, letztlich wurde das Anwesen auf dem 2,5 Hektar großen Gelände im Biosphärengebiet für 500 000 Euro veräußert. Was die Käufer mit dem Vogelhof vorhaben, bleibt im Unklaren. Ein mit unserer Zeitung vereinbarter Telefontermin kommt nicht zustande, auf eine E-Mail reagieren Hanns Nolan, Dirk Messberger und Gustav Müller, die sich auf der Homepage als „Die Drei vom Vogelhof“ vorstellen, nicht. „Wir wollen in einer herzlichen, respektvollen und liebevollen Gemeinschaft miteinander leben. Unser Netzwerk an Trainern und Teilnehmern ist geprägt von Freundschaft, gegenseitiger Unterstützung und gemeinsamem Miteinander. So lösen wir alle Aufgaben gemeinsam und erschaffen eine neue kleine Welt für uns, unsere Trainer und unsere Teilnehmer“, werben sie auf ihrer Homepage für das Seminarzentrum in Ehingen. Dirk Messberger, Fotograf, Masseur, Mediator und Berater, schreibt auf seiner Internetpräsenz vom „Vogelhof, unserem neuen Seminarplatz für uns Männer“ und lädt zu einem Seminar „Men in Touch – Zauber der Berührung und Begegnung“ ein.

Hof stammt aus dem Jahr 1868

Der Bauernhof, der zum Landschulheim wurde, stammt aus dem Jahre 1868. Anfang der 1920er-Jahre erwarb die Stuttgarter Hellauf-Gruppe, eine völkische Siedlungsgemeinschaft, das Gelände. „Verbot von Nikotin und Alkohol, vegetarische Ernährung und Nacktsport zählten zu den Grundprinzipien von Zusammenleben und Erziehung“, schrieb Christa Mack in einer Publikation des Vereins für Geschichte und Heimatpflege, der die Historie des Vogelhofs aufgearbeitet hat. Nach dem Krieg diente der Hof vorübergehend ausgebombten Familien aus Ulm als Heimstatt, bevor der neu gegründete Schullandheim-Verein 1952 den Hof erwarb.

Schon im ersten Jahr des Bestehens kamen elf Schulklassen nach Erbstetten. 90 000 Menschen, so hat der Verein einmal errechnet, suchten im Laufe der Jahre Erholung in dem Schullandheim – und fanden sie abseits des quirligen Stadtlebens in der Regel auch.

Auch der Verein ist Geschichte

Ebenso wie das Schullandheim ist der Schullandheim-Verein Geschichte. Er wird aufgelöst. 1952 war er gegründet worden, um „schulische Betätigung und Erholung zu vereinigen“, so der Rektor und erste Vorsitzende Emil Hauf. Er wollte die Jungen und Mädchen, durch die Kriegsjahre und die Mangelernährung geschwächt, „aufpäppeln“. Mit dem Verkaufserlös kann er die städtischen Darlehen tilgen und zudem, so sieht es die Satzung vor, 225 000 Euro an die Stadt zahlen. Sie muss das Geld für die Kinder- und Jugendarbeit ausgeben, und zwar für solche Projekte, die im Etat nicht vorgesehen sind.

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