Der Holzkubus ist das Herzstück der neuen Johanneskirche. Er vergrößert bei Bedarf den Kirchenraum. Foto: Mateja fotografie

Die aufwendig sanierte Johanneskirche wird am Sonntag wieder eröffnet.

Kornwestheim - Ein wenig grimmig schaut Gott vom Kirchenfenster schon ins Innere der Johanneskirche. Ob ihm die Neugestaltung nicht gefällt? Es ist kaum vorstellbar, so hell und freundlich, wie sich die „neue“ Johanneskirche, vor 65 Jahren zu seinen Ehren errichtet, nun präsentiert. Bodentiefe Glasfenster, ein großer Holzkubus im Inneren, neue Gruppenräume geschickt im Obergeschoss der Kirche verteilt – das Gotteshaus ist nicht wiederzuerkennen. Am Sonntag wird es mit vier Kurzgottesdiensten seiner Bestimmung übergeben.

Die Handwerker und Techniker haben in den vergangenen Tagen noch einiges zu tun gehabt, die Reinigungskräfte ebenfalls. Ehrenamtliche haben am vergangenen Wochenende gespült und gewienert, um die Kirche für die Eröffnungsfeiern herzurichten. Aber was heißt Kirche? Sie ist mit dem Umbau gleichzeitig zum Gemeindehaus geworden. Der Haupteingang befindet sich an der Turmseite. Ein zweiter Eingang im Süden führt die Besucher zunächst einmal in die kleine Wochenkapelle. Von dort aus geht’s in den Kirchenraum, der, wenn der Gemeindesaal mittels der Trennwand verschlossen ist, mehr breit als lang ist. Kirchenbesucher, die lieber hinten als vorne sitzen, haben in der Johanneskirche schlechte Karten . . . 80 Plätze bietet sie, wird der Gemeinderaum geöffnet, sind’s sogar knapp 300 – allerdings nur dann, wenn keine Abstandsregeln gelten. Pfarrer und Gottesdienstbesucher befinden sich auf einer Ebene, der Chorraum ist abgesenkt worden. Die bodentiefen Glasfenster lassen viel Licht ins Kirchenzentrum. Vorhänge, sagt Pfarrer Horst Rüb, sind nicht vorgesehen. Die Offenheit sei auch Programm.

Eine wuchtige, neu eingezogene Treppe führt nach oben auf den Kubus. Die Decke des Einbaus bietet Platz für mehrere Gruppenräume. Der Kinderkirchraum – für Pfarrer Horst Rüb der gelungenste im Johannes-Gemeindezentrum – wird geschmückt vom runden Kirchenfenster, das bisher für die Pfarrer gut sichtbar war, für die Gottesdienstbesucher aber weniger. Im Turm ist ein Zwischengeschoss eingebaut worden, das Platz für die Sanitärräume bietet. Und natürlich sind die Obergeschosse über einen Aufzug erreichbar. Noch ein Blick direkt unters Dach der Johanneskirche: Um die Technik für Lüftung und Heizung aufnehmen zu können, mussten neue Stahlträger nach oben gehievt werden. Zudem sind Fenster eingebaut worden, die über große Schächte das Licht in die Gruppenräume im Obergeschoss fallen lassen. An die alte Johanneskirche – der größte Kirchenneubau der Nachkriegszeit in Württemberg – erinnert nicht mehr viel.

Fünf Millionen Euro hat sich die evangelische Kirchengemeinde den Abriss des Gemeindehauses an der Johannesstraße und den Umbau der Kirche kosten lassen. – gut zwei Millionen Euro mehr als die ersten Schätzungen. Insbesondere die Brandschutzauflagen trieben die Preise nach oben. Außerdem: „Die Baupreise sind in den vergangenen fünf Jahren explodiert“, erklärt Pfarrer Horst Rüb. Weil aber auch die Bodenpreise in die Höhe gegangen sind, ließen sich die Mehrkosten mit dem Verkauf des Areals an der Rosensteinstraße, wo die Gemeinde das Paulusgemeindehaus samt Nebenbauten aufgegeben hat, finanzieren. Man habe nicht die Reserven für die Sanierung der Martinskirche, die als nächste ansteht, antasten müssen, sagt der geschäftsführende Pfarrer der evangelischen Gemeinde.

Wie beim Umbau eines 65 Jahre alten Gebäudes nicht anders zu erwarten: Es lief nicht alles reibungslos. Die Bodenplatte musste, weil porös, ausgetauscht werden, die Gemeinde musste einen neuen Fensterbauer suchen, weil das Unternehmen, das ursprünglich mit dem Bau beauftragt worden war, Insolvenz angemeldet hatte. Und so verzögerte sich der eigentlich ins Auge gefasste Eröffnungstermin Ende 2018 doch erheblich.

Mit der neuen Johanneskirche in alter Hülle sollen sich die einzelnen Gottesdienstorte der evangelischen Gemeinde stärker profilieren. An der Weimarstraße wird an jedem zweiten Sonntag im Monat ein sogenannter „frei.raum-Gottesdienst“ gefeiert werden – mit Musik von der Band, die im Chorraum ideale technische Bedingungen vorfindet. Eine Orgel wird in „Johannes“ nicht erklingen, es gibt dort nämlich überhaupt keine. Hauptinstrument ist der Flügel aus dem Paulusgemeindehaus. Jeden vierten Sonntag wird ein Familiengottesdienst oder die Minikirche angeboten. Die Johanneskirche soll auf jeden Fall zum Zentrum für die jüngeren Gläubigen werden. Der traditionelle Predigtgottesdienst wird in der Martinskirche beheimatet sein, die Feiern in der Heiliggeistkirche richten sich an die Gläubigen aus Pattonville. Zudem „bespielt“ die evangelische Gemeinde noch das Thomashaus im Wohngebiet Ost.

Ob sich die Miene des Herrn noch aufhellt, das mag bezweifelt werden. Wenn der Erschaffer des Fensters, der Künstler Wolf-Dieter Kohler, geahnt hätte, zu welch einem Schmuckstück sich die Kirche mausert, er hätte die Mundwinkel wohl vermutlich doch nach oben gezogen.