In Eberdingen-Nußdorf zeigen Nachfahren von Philipp Matthäus Hahn ihre Werke.
Kornwestheim - Schwer zu glauben, dass dies die erste gemeinsame Ausstellung der Künstler-Söhne von Schauspieler Ulrich Mühe und Theater-Intendantin Annegret Hahn ist. Sehr stimmig aufeinander bezogen und gleichermaßen intensiv präsentieren sich die Werke der beiden ungleichen Brüder – Andreas ist Fotokünstler, Konrad arbeitet unter anderem als Drehbuchautor und Videokünstler.
Fünf Ebenen können bespielt werden
Ein großer Pluspunkt sind dafür die Ausstellungsräume der Sammlung Klein im unprätentiösen Neubau- und Industriegebiet im Eberdinger Teilort Nußdorf. Insgesamt fünf Ebenen können hier bespielt werden, vom dunklen Untergeschoss bis zum lichtdurchfluteten zweiten Obergeschoss. Ursprünglich war es vorgesehen, die Ausstellung im Kleihues-Bau in Kornwestheim zu präsentieren. Nachdem dies nicht möglich war, freut sich Galerist Peter W. Klein diebisch, „die beiden hier zu haben“.
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Im Untergeschoss läuft Konrad Mühes Videoinstallation „Fragen an meinen Vater“. „Mein Vater ist sehr früh gestorben, deshalb habe ich ihm viele Fragen nicht mehr stellen können“. Drei Jahre Vorarbeit hat es gekostet, bis Konrad aus verschiedensten kurzen Ausschnitten aus dem umfangreichen Filmschaffen Ulrich Mühes Stichworte herausgearbeitet hat, die ihm stimmig erschienen.
Stählerner Blick des Großvaters
Auf der nächsten Ausstellungsebene zieht Andreas Mühes großem Bild des Großvaters der beiden, Oskar Hahn, sofort die Blicke auf sich. Mit stählernem Blick scheint er den Betrachter zur Ordnung zu rufen.
Der große Ausstellungsraum weiter oben wird dominiert von zwei großen Familientableaus, die Rücken an Rücken präsentiert werden. Andreas Mühe hat auf der einen Seite Mitglieder der Familie der Mutter neben einem Weihnachtsbaum und bildlichen Elementen wie einer Großvater-Uhr arrangiert. Die Familie des Vaters ist in einer ähnlichen Kulisse zu sehen.
Alle Verwandten können nie gleichzeitig dabei sein
„Weihnachten ist eine der wenigen Feiern, bei denen sich verschiedene Generationen einer Familie zusammenfinden.“ Da aber selbst bei einer solchen Gelegenheit nie alle Verwandten gleichzeitig anwesend sein können, hat der Fotokünstler reale und realistisch gestaltete Porträts verwendet, die für ihn das Wesen der Dargestellten am besten wiedergeben.
Die Mutter Annegret Hahn und ihre Seite der Familie waren für die beiden Brüder prägend. „Wir sind beide bei ihr aufgewachsen.“ Mit dem Großvater Jahrgang 1922, der auch in der Uckermark immer noch schwäbisch sprach, haben sie regelmäßig telefoniert. Für die Kinder im damaligen Karl-Marx-Stadt habe sich der Dialekt sehr ungewohnt angehört. „Da hatten wir am Montag in der Schule immer etwas zu erzählen“, erinnern sich die beiden. Genauso exotisch muteten Maultaschen zum Mittagessen an. Ob der Großvater als Nachfahr des pietistischen Mechanikerpfarrers Philipp Matthäus Hahn sehr religiös gewesen sei? „Nicht so besonders“, antwortet Konrad Mühe. Zum Weihnachtsgottesdienst oder kirchlichen familiären Feiern sei er gegangen, aber sonst sei er kein regelmäßiger Kirchgänger gewesen.
Grund: Luftveränderung
„Es waren einfache, bodenständige Leute“, erinnern sich die Brüder an den Großvater, seine Eltern und deren tragisches Schicksal. Der Luftveränderung wegen sei 1937 die kleine Kornwestheimer Familie ans entgegengesetzte Ende der Republik in die Uckermark gezogen. „Im Nachhinein fragt man sich, wieso sie nicht weniger weit von Kornwestheim weggezogen sind.“ Denn nach dem Einmarsch der russischen Truppen in den Osten Deutschlands 1945 fand man Mitglieder der Familie erhängt vor. „Die offizielle Lesart war, dass sie Selbstmord begangen haben. Doch später hat man herausgefunden, dass sie von den russischen Truppen ermordet wurden.“
Andreas und Konrad Mühe freuen sich, dass eine Mitarbeiterin der Kornwestheimer Zeitung zum Pressegespräch gekommen ist. „Wir haben früher regelmäßig die Zeitung aus Kornwestheim gelesen. Eine Verwandte von uns hat sie gesammelt und dann im Paket an uns geschickt.“
Die Köpfe hinter den vertauschten Köpfen
Nachfahren
Das Kunstwerk Sammlung Klein (Siemensstraße 40 in Eberdingen-Nussdorf) zeigt seit dem 23. Januar bis 1. Mai die Ausstellung „Vertauschte Köpfe“ mit Werken von Andreas und Konrad Mühe. Die Öffnungszeiten: Mittwoch bis Freitag und Sonntag von 11 bis 17 Uhr. Familie
Die beiden Künstler sind Söhne des 2007 verstorbenen Schauspielers Ulrich Mühe und der Theaterintendantin Annegret Hahn. Sie wiederum ist eine Nachfahrin des bekannten Pfarrers und Erfinders Philipp Matthäus Hahn, der einen Teil seines Lebens in Kornwestheim wirkte.
Gesichter
In der Ausstellung „Vertauschte Köpfe“ ist auch die Geschichte der Familie Hahn reflektiert, unter anderem in Fotoarbeiten, die sich auf Oskar Hahn, den Großvater der beiden Künstler beziehen, welcher 1937 mit seinen Eltern von Kornwestheim in die Uckermark übersiedelt ist. (red)