Will, das Afghanistan nicht in Vergessenheit gerät: der Arbeitskreis Asyl bei der Mahnwache auf dem Bahnhofsplatz. Foto: Peter Mann

Mit einer Mahnwache will der Arbeitskreis an die Situation der Menschen erinnern.

Kornwestheim - Pünktlich zum 12-Uhr-Schlag der Glocken der nahe gelegenen Kirche St. Martinus haben sie Stellung bezogen mit ihren Plakaten, die Ehrenamtlichen des Arbeitskreises Asyl und Martha Albinger von der ökumenischen Fachstelle Asyl bei der Caritas Ludwigsburg/Waiblingen. Eine Sache liegt ihnen dabei besonders am Herzen: „Seit dem Wahlkampf kümmert sich die deutsche Politik überhaupt nicht mehr um die Probleme in Afghanistan.“ Deshalb hat die Kornwestheimer Ortsgruppe des Arbeitskreises Asyl beschlossen, gerade jetzt mit ihrer Mahnwache auf die prekäre Situation der Menschen in Afghanistan aufmerksam zu machen. In Ludwigsburg habe es im September eine ähnliche Aktion gegeben, erinnern sich die Ehrenamtler. Ein knappes Dutzend Menschen haben sich mit Plakaten auf dem Bahnhofsvorplatz postiert.

„Unsere geflüchteten Afghanen sind größtenteils bei der Arbeit, deshalb können sie nicht dabei sein“, berichtet Andrea Tröscher vom Arbeitskreis. Für viele der insgesamt etwa zehn bis 15 Afghanen, die laut Peter Preßler hier leben, ist der Familiennachzug das größte Problem. Teilweise säßen Frau und Kinder schon seit zwei Jahren mit den erforderlichen Dokumenten auf gepackten Koffern. Dabei seien ihre Männer in Deutschland gut integriert, gingen einer geregelten Arbeit nach und hätten oft einen sogenannten Aufenthaltstitel oder ein Niederlassungsrecht.

Viele wünschen sich Familiennachzug

Ein Geflüchteter habe gar die Einbürgerung beantragt, seine Frau dürfe aber dennoch nicht aus Afghanistan ausreisen. Preßler hat regelmäßigen Telefonkontakt mit dem Bruder des Einbürgerungswilligen in Afghanistan. Die Angst vor den neuen Machtinhabern der Taliban oder auch der islamistischen Terrormiliz IS, die dort nach dem Abzug der Nato-Truppen schnell Fuß gefasst habe, sei in der Familie groß.

Gabi Blatter, ebenfalls im Arbeitskreis Asyl tätig, erzählt von einem Afghanen, der in Kornwestheim Zuflucht gefunden hat. Als Mitglied der Ortskräfte war er nach der Übernahme der Taliban besonders gefährdet. Nun versuche er verzweifelt, seine Frau nachzuholen. „In ihrer Heimat droht besonders jetzt im Winter eine humanitäre Katastrophe“.

Martha Albinger ist bei der Caritas Ludwigsburg/Waiblingen zuständig für die Koordination der Arbeit der Ehrenamtler im Kreis Ludwigsburg. Besonders wichtig sei ihre Hilfestellung nach 2016 geworden, als nach der anfänglich riesigen Hilfsbereitschaft und der Begeisterung für die ehrenamtliche Asylarbeit der Enthusiasmus spürbar nachgelassen habe.

Ehepaar will Fremde aufnehmen

In ihrer langjährigen Arbeit in der Flüchtlingsbetreuung hat Martha Albinger gelernt, den Versprechungen der Bundespolitiker in der Asyl- und Flüchtlingspolitik mit Vorsicht zu begegnen. „Erst wenn man an der Basis arbeitet, kriegt man mit, wie es wirklich läuft“, so Albinger im Gespräch mit unserer Zeitung.

Mit dem Verlauf der Kornwestheimer Aktion ist sie sehr zufrieden. „Auch der Mitarbeiter der Teststation hat sich zu uns gestellt“. Eine besonders große Freude bereitet ihr später ein Ehepaar aus Ludwigsburg, das vor einer Fahrt mit dem Flixbus extra vorbeigekommen ist, um ein nicht alltägliches Hilfsangebot zu machen. „Wir würden gern jemanden bei uns aufnehmen“, versicherten die beiden. Da müsse man sich einmal in Ruhe bei einer Tasse Kaffee unterhalten, antwortet Albinger.

Sollte es tatsächlich so weit kommen, dass das Ludwigsburger Ehepaar einem unbegleiteten Minderjährigen eine neue Heimat bieten könne, dann werde es für alle Beteiligten viel zu tun geben, sagt Albinger und geht in Gedanken schon die nächsten Schritte durch.