Nach dem Chemieunglück an der Jagst müssen die Fischbestände wieder aufgebaut werden. Die Kormorane empfinden viele dabei als Störfaktor. Foto: AP

Das Regierungspräsidium Stuttgart hat eine Ausnahmegenehmigung für die Vergrämung von Kormoranen erteilt. Ziel: der Fischbestand soll sich nach dem Giftunglück in der Jagst erholen. Doch die Fischer ärgern sich: denn in den besonders betroffenen Flussabschnitten dürfen die Vögel nicht getötet werden.

Kirchberg - Ein Todesurteil für die Jagstfische“: Markus Hannemann, der Sprecher der Fischhegegemeinschaft Jagst, ist „stinksauer“. Die jüngst vom Regierungspräsidium Stuttgart bewilligte Ausnahmegenehmigung zur Vergrämung (sprich: zum Abschuss) des Kormorans von 1. September an ist für die Fischer eine Mogelpackung. Zahlreiche mit Verweis auf FFH- und Vogelschutzgebiete ausgesparte Strecken, sagt Hannemann, machten eine erfolgreiche Bekämpfung des Vogels unmöglich. Diese sei aber dringend geboten.

Nach dem Chemieunfall an der Lobenhausener Mühle bei Kirchberg (Kreis Schwäbisch Hall) im August 2015, also vor genau einem Jahr, ist die Jagst rund 20 Kilometer flussabwärts noch immer nahezu fischleer. Nahezu, denn kürzlich haben Mitarbeiter der baden-württembergischen Fischereiforschungsstelle Langenargen in einer aufwendigen Aktion Fische aus nicht belasteten Jagstabschnitten in die betroffenen Gebiete um Hessenau umgesetzt. „Wenn sich diese Fische reproduzieren, was wir hoffen, werden die Laichfische von den Kormoranen gefressen“, sagt Hannemann voraus.

Nun ist das Verhältnis zwischen den Fischern und den Vögeln seit jeher schlecht. Die Angler machen die ehemals nahezu ausgerotteten, dann unter Schutz gestellten Kormorane für den Rückgang der Fischpopulationen verantwortlich. Und die Naturschützer machten den Kormoran zum Vogel des Jahres 2010. Eine Versöhnung zwischen den beiden Fronten ist nicht in Sicht.

Referatsleiter Alexander Brinker von der Fischereiforschungsstelle kann die Kritik aus Fischereisicht „inhaltlich nachvollziehen“, sagt er, „die Gesamtbewertung hat das Regierungspräsidium Stuttgart zu treffen.“ Das Gutachten seines Referats ist in dem elfseitigen Schreiben des Regierungspräsidiums an die Jagstfischer nachzulesen: „Im Vergleich zu Zeiten, in denen keine letale Vergrämung von Kormoranen stattfand, kommt die Fischereiforschungsstelle zu dem Ergebnis, dass sowohl hinsichtlich der Betrachtung aller Fischarten als auch bei Betrachtung nur der gefährdeten Fischarten deutlich geringere Individuendichten nachgewiesen werden konnten als in der Zeit letaler Vergrämung von Kormoranen.“ Mehr Kormorane, weniger Fische: Das Votum ist eindeutig – und noch vor dem folgenreichen Chemieunfall entstanden, betont Brinker: „Die Situation in der Jagst hat sich seither noch verschärft.“ Auch über den Winter habe sich der Fluss nicht erholt.

Das Land stellt immerhin 100 000 Euro pro Jahr und die am Bodensee ansässige Fischereiforschungsstelle „eine große Menge an Eigenleistung“ bereit, um den Fischbestand an den geschädigten Abschnitten der Jagst wiederherzustellen. Darin enthalten sind die Finanzierung der Stelle eines wissenschaftlichen Mitarbeiters für das Projekt „Wiederaufbau Fischbestand Jagst“, Sachmittel sowie Hilfen von Spezialkräften. Diese waren an der für Brinker „enttäuschenden“, weil in der Menge nicht ausreichenden Umsetzaktion Mitte Juli beteiligt. „Ob die was gebracht hat, werden wir im Herbst sehen“, sagt der Fachmann.

Für den Sprecher der Jagsthegegemeinschaft ist der Ausgang des Abfischens und Einsetzens nicht überraschend. „Die Population der Jagstfische ist gegenüber der vor 25 Jahren ohnehin um 20 Prozent zurückgegangen“, sagt Markus Hannemann, „da geben die anderen Vereine ihr letztes Hemd, ihre letzten Fische her und dann kommt so eine Entscheidung.“

Er sei maßlos enttäuscht, habe man doch alles getan, die Kausalität zwischen dem Kormoranaufkommen und den Fischzahlen zu belegen. Dass ausgerechnet zwischen der Lobenhausener Mühle und Hessenau – im am schlimmsten betroffenen Jagstabschnitt – die Bekämpfung des Kormorans nicht erlaubt ist, kann Markus Hannemann nicht nachvollziehen. „Unter diesen Bedingungen ist eine Bestandserholung der jagsttypischen Arten unmöglich“, sagt er, „ich kann keine weiteren Umsetzaktionen befürworten.“