Bisher dürfen nur Schülerinnen im Unterricht ein Kopftuch tragen, Lehrerinnen nicht Foto: dpa

Das Kopftuchverbot für muslimische Lehrerinnen ist nichtig, sagt das Bundesverfassungsgericht. Doch die geplante Änderung im Schulgesetz birgt Risiken, warnen Experten.

Stuttgart - Eigentlich wollte Grün-Rot das Schulgesetz noch vor der Sommerpause ändern. Doch nun wird es frühestens im Herbst verabschiedet. Auf Druck von CDU und FDP findet im September noch eine Anhörung im Bildungsausschuss statt.

Hintergrund der Gesetzesänderung ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom März. Ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrerinnen an öffentlichen Schulen verstoße gegen die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit und sei nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, argumentierten die obersten Richter. Es dürfe nur im Einzelfall ausgesprochen werden, etwa wenn der Schulfrieden gestört oder die Neutralitätspflicht des Staates verletzt sei.

Bei der Opposition im Landtag stieß der Gesetzentwurf von Grün-Rot auf scharfe Kritik. CDU-Fraktionschef Guido Wolf und sein FDP-Kollege Hans-Ulrich Rülke warnten vor „Schnellschüssen“. Sie kritisieren unter anderem, dass Grün-Rot den Satz in Paragraf 38 ersatzlos streichen will, der Lehrern die „Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen“ erlaubt. Am Freitag luden sie Experten zu einer öffentlichen Anhörung ein.

Aus Sicht des Städtetags spricht nichts gegen den grün-roten Gesetzentwurf. Der Islam dürfe nicht nur geduldet werden, sondern müsse mit seinen Eigenheiten akzeptiert werden, sagte Städtetagdezernent Norbert Brugger. „Je mehr man das Thema problematisiert, desto mehr werden Probleme entstehen.“ Vielen Kommunen als Kindergartenträger falle es schwer, qualifizierte Erzieherinnen wegen ihres Kopftuchs anzulehnen, sagte Irmtraud Bock, Verwaltungsdirektorin des Gemeindetags.

Schulen auch künftig kein religionsfreier Raum

Die Kirchen halten es für zwingend, in dem Gesetz klarzustellen, dass die Schulen auch künftig kein religionsfreier Raum sind noch sein sollen. Andernfalls könnten Schulleiter aus Furcht vor Konflikten Schulgottesdienste oder auch interreligiöse Feiern abschaffen, warnten der evangelische Oberkirchenrat Christoph Schneider-Harpprecht und der katholische Prälat Clemens Stroppel. Ziel sei nicht eine laizistische Gesellschaft, sondern die Anerkennung aller Religionen. „Religion legt man nicht an der Garderobe ab“, sagte die Vertreterin der Israelitischen Religionsgemeinschaften, Barbara Traub. Allerdings sähen viele liberale Juden das Kopftuch bei Musliminnen wie auch bei orthodoxen Jüdinnen eher kritisch.

Für ein Kopftuchverbot plädiert die Alevitische Gemeinde. Die Kopfbedeckung spiele bei der Diskriminierung der Aleviten durch die Sunniten bis heute eine wichtige Rolle, sagte Ruhan Karakul.

Erdal Toprakyaran, Direktor des Zentrums für Islamische Theologie an der Universität Tübingen, begrüßte hingegen die Entscheidung des Gerichts. Die meisten islamischen Theologen hielten die Kopfbedeckung für ein göttliches Gebot. Etwa 90 Prozent der Lehramtsstudentinnen, die in Tübingen islamische Theologie und ein weiteres Fach studieren, trügen Kopftuch.

Aus Sicht der Lehrerverbände im Beamtenbund sind Schulleiter mit der Aufgabe überfordert, im Einzelfall darüber zu entscheiden, ob eine Lehrerin mit Kopfbedeckung den Schulfrieden stört, sagte Michael Gomolzig. Sabine Wassmer, Vorsitzende des Gesamtelternbeirats Stuttgart, sieht das pragmatischer. Mit den Referendarinnen, die während der Ausbildung Kopftuch tragen dürfen, gebe es keine Probleme, sagte sie. „Man muss halt miteinander reden.“

Unklar ist die Frage, wann der Schulfriede gestört ist. Iris Kemmler, Juristin an der Uni Tübingen, warnte davor, sich auf Zahlen – etwa von protestierenden Eltern – festzulegen. Die Rechte von Lehrerinnen dürften nicht durch die Mobilisierung von Kritikern ausgehebelt werden können.