2013 soll sich entscheiden, wer das Strom- sowie das Gas- und Wärmenetz in Stuttgart betreibt. Foto: dpa

Energieversorgung: Bei der Konzessionsvergabe drohen viele rechtliche Fallstricke.

Stuttgart - Initiativen haben in einem Bürgerbegehren die Komplettübernahme der Strom-, Gas-, Wasser- und Fernwärmenetze durch die Stadt gefordert. Die Verwaltung hält das für rechtlich unzulässig. Der Gemeinderat wird eine Entscheidung voraussichtlich vertagen.

An diesem Donnerstag um 16.30 Uhr soll der Gemeinderat im zweiten Anlauf darüber entscheiden, ob die Stadt einen Bürgerentscheid über die Energie- und Wasserversorgung in Stuttgart organisiert. Dass sie das aus rechtlichen Gründen gar nicht darf, hat die Stadtverwaltung sich durch ein Gutachten der Stuttgarter Kanzlei Dolde, Mayen und Partner versichern lassen.

Zweite Linie: Förmlicher Beschluss des Rates jetzt nicht fassen

Die Empfehlung von OB Wolfgang Schuster (CDU) an den Rat ist daher eindeutig. Schuster schlägt vor, den Bürgerentscheid abzulehnen. Dem widersprach am Mittwoch im Verwaltungsausschuss nur die Fraktion von SÖS/Linke, die fünf der 60 Räte stellt. „Natürlich sollten wir die Entscheidung über die Netze an die Bürger geben“, sagt deren Fraktionschef Hannes Rockenbauch.

Neben der Empfehlung von Schuster an den Rat gibt es noch eine zweite, weichere Linie. Die hat der Verwaltungschef im Gespräch mit den vier Vertrauensleuten des Bürgerbegehrens eingeschlagen. Sie lautet, dass ein förmlicher Beschluss des Rates jetzt nicht gefasst werden soll, weil man in der Sache nicht weit auseinanderliege. Auch die Verwaltung will, dass das neu gegründete Stadtwerk vom 1. Januar 2014 an, wenn die Konzession der Energie Baden-Württemberg (EnBW) ausgelaufen ist, die Netze allein oder notfalls zusammen mit einem Juniorpartner betreibt. Gelänge das, wäre das Ziel des Begehrens, das immerhin 27.000 Bürger unterschrieben haben, erfüllt. Sofern der Partner nicht die EnBW oder ein anderer Konzern mit Atomkraftwerken ist.

Es könnte noch einen zweiten Grund für die weiche Linie geben: Schuster will nicht wieder als der OB gebrandmarkt werden, der Bürgerbeteiligung abwürgt.

Auch für die weichere Linie gibt es Sympathisanten

Im vorbereitenden Ausschuss war am Mittwoch die Ablehnung des Begehrens absehbar. Doch auch für die weichere Linie gibt es Sympathisanten. CDU-Fraktionschef Alexander Kotz spricht vom „Einfrieren“ des Begehrens, davon, dass die Bürger besser über das komplizierte Konzessionsverfahren und die Festlegung von Kriterien für die Wahl des neuen Konzessionärs informiert werden sollen. „Wir ticken auf der gleichen Wellenlänge wie die Initiatoren“, sagte Manfred Kanzleiter für die SPD. Auch die Genossen könnten einem Aufschub positive Seiten abgewinnen. Dann würden die Grünen, die mit 16 Sitzen die größte Fraktion stellen, sich auch nicht für eine Ablehnung des Bürgerentscheids verkämpfen.

Ganz gleich, wie sich der Rat entscheidet: Das Risiko einer Klage bleibt. Bei einer Ablehnung des Bürgerentscheids würden die Initiatoren die Entscheidung vom Regierungspräsidium (RP) überprüfen lassen und, so das RP der Stadt recht gibt, vor dem Verwaltungsgericht klagen. Bleibt die Entscheidung zu lange offen, könnte jeder der 27.000 Unterzeichner die Stadt wegen Untätigkeit verklagen.

Der Gemeinderat vergibt das neue Betriebsrecht für die Netze

Weitere Fallstricke bei der Konzessionsvergabe zeigte Rechtsanwalt Winfried Porsch von der Kanzlei Dolde für die Stadt auf. Der Gemeinderat vergibt das neue Betriebsrecht für die Netze. Bei einem Bürgerentscheid wäre der Rat drei Jahre lang an dessen Votum gebunden. Lautet das Votum, nur an die Stadtwerke zu vergeben, könnte jeder Wettbewerber sofort klagen, weil das Vergabeverfahren Wettbewerb zulassen und diskriminierungsfrei sein muss. Ein im Sinne der Initiativen positives Begehren wäre damit „der Crashfall“, so Porsch. Die Stadtwerke stünden garantiert als Verlierer da.

Winfried Böhler, der am Mittwoch für die Initiativen sprach, sieht das anders. Mit dem Begehren gehe die Stadt kein Risiko ein. Dennoch sei man für den Aufschub, so Böhler. Die Initiativen wollten aber keinesfalls einen AKW-Betreiber als Stadtwerke-Partner, warnte er.

Dass die Initiativen sich in ihren Vorschlägen selbst nicht einig sind, zeigte am Mittwoch die Forderung des Wasserforums, das eine „Inhouse“-Vergabe der Stadt ganz ohne Ausschreibung anregt. Einen möglichen Rechtsstreit müsse man dann aushalten. Die Inhouse-Vergabe, sagt selbst Böhler, sei rechtlich nun wirklich nicht möglich.