Wie jedes Jahr im April stellte Michael Russ am Dienstag das prominent besetzte Programm der SKS Russ für die nächste Spielzeit vor. Das Image der Musikstadt Stuttgart hat er mit geschaffen.
Und wie jedes Jahr im April darf man sich wieder über die Prominenz freuen, mit deren Hilfe der Konzertveranstalter das Image der Musikstadt Stuttgart in Jahrzehnte langer Arbeit mit geschaffen hat.
Dabei hat Russ in seinen Konzerten zumindest im Jahr 2008 von einer beginnenden Wirtschaftskrise noch nichts verspürt. Und bei der Planung der Saison 2009/10 sparte er nicht mit großen Namen. "Ich wollte", sagt er, "bewusst ein Programm anbieten, bei dem man nicht Nein sagen kann."
Das fällt in der Tat schwer, wenn der Besuch so namhafter Klangkörper wie des Bayerischen Staatsorchesters (Kent Nagano), des London Symphony Orchestra (John Eliot Gardiner), der Staatskapelle Dresden (Fabio Luisi), des Budapest Festival Orchestra (Iván Fischer) und zuletzt der Berliner Philharmoniker unter Seiji Ozawa (als Zusatzkonzert) bei der "Meisterkonzert"-Reihe angekündigt wird. Auch das Pittsburgh Symphony Orchestra wird sich unter der Leitung seines Chefdirigenten (und Stuttgarter Generalmusikdirektors) Manfred Honeck vorstellen.
Mit bekannten Namen der Klassik-Szene versucht Michael Russ sein "Sorgenkind", die Reihe "Konzertanter Querschnitt", attraktiv zu machen: Unter den Solisten sind Patricia Kopatchinskaja und Sol Gabetta (beide stellen sich im Kammermusik-Zyklus mit einem Trio-Programm vor), Sharon Kam, Isabelle Faust, Emmanuel Pahud, Claudio Bohórquez und Vilde Frang.
Bei den "Meisterpianisten" wird der 26-jährige russische Senkrechtstarter Nikolai Tokarew zu hören sein; erstmals kommt außerdem der Franzose Marc-André Hamelin, und auch Murray Perahia wird man hier einmal wieder begegnen können. Für seinen Kammermusikzyklus hat Michael Russ "die Quartette engagiert, die unbedingt hier spielen sollten" - das Quatuor Ysaye, das Zehetmair-Quartett und das Hagen-Quartett sind darunter. Zu einem Sonderkonzert wird auch Cecilia Bartoli mit italienischen Arien des 18. Jahrhunderts wieder nach Stuttgart kommen.
Bleibt noch Michael Russ' großes Zukunftsprojekt: die "Schlossgarten-Philharmonie". Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster und den Gemeinderat konnte er bereits für seine Idee erwärmen: "Vor allem für Popkonzerte", so Russ, "fehlen die Kapazitäten: Wir spüren den Verlust des Congresszentrums B, der Sporthalle Böblingen und demnächst auch der Röhre, die Stuttgarter Orchester brauchen die Räume in der Liederhalle auch tagsüber für Proben, und wenn bei mir ein Pianist auftritt, dann will er schon vormittags im Saal üben. So entstehen große zeitliche Engpässe. Wir brauchen unbedingt mehr Raum, um die Bedürfnisse der E- und der U-Musik abzudecken."
Bei seinem Vorstoß weiß der Veranstalter die ortsansässigen Klangkörper hinter sich - unter anderen auch den Orchestermanager des RSO, Felix Fischer, der bei seiner Suche nach einem Nachfolger Roger Norringtons als Chefdirigent merkte, wie zentral heute die Frage nach dem Ort und den Begleitumständen der Probenarbeit geworden ist. "Unter den jetzigen Bedingungen", so Russ, "kann ein Musikleben mit Qualität und Quantität auf Dauer nicht mehr funktionieren."