Furioses Finale auf dem Schlossplatz: Die Fantas sind in der Stadt. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Mehr als 120.000 Leute feiern mit den Toten Hosen, mit Helene Fischer, Lenny Kravitz und den Fantastischen Vier. „Stuttgart brummt“, beschreibt der OB Fritz Kuhn den Konzertmarathon am Wochenende.

Stuttgart - Der Summer in the city hatte es in sich – trotz Regens. Musikliebhaber hatten die Qual der Wahl beim Konzertmarathon. Sollte man das Comeback-Glück von Campino teilen? Mit Helene Fischer abfeiern? Mit den Fanta 4 singen oder Lenny Kravitz hören? Wie man sich auch entschied, es war immer richtig.

Campino im Glück Man sah ihm an und konnte es vor allem spüren, wie gut es ihm tut, endlich wieder auftreten zu können. Nach fünfwöchiger Zwangspause meldete sich der von einem Hörsturz genesene Sänger der Toten Hosen am Samstagabend fulminant zurück vor 65 000 begeisterten Fans auf dem Wasen. Der 56-Jährige erwähnte seine besondere Beziehung zu Stuttgart: Seine Schwester Judith Frege tanzte beim weltberühmten Stuttgarter Ballett, weshalb er oft die Stadt besuchte. Campino war sehr gut drauf und äußerst fit. Er machte Späße über seinen nächtlichen Ausflug in ein Schwimmbad in Dresden, wo es seinetwegen nun Nachtbaden geben würde, und sang ein Lied für Weltmeister Benjamin Pavard, den Noch-VfB-Verteidiger: „Nie im Leben würde ich zu Bayern gehen.“ Alles war also bestens in dieser schönen Sommernacht – mit einer nicht gerade unwesentlichen Ausnahme: Wer ein dringendes Bedürfnis hatte, musste bis zu 45 Minuten vor den Dixi-Klos warten. Auf dem Wasen gab es wohl deutlich mehr Bierstände als Toiletten. Sehr viele erledigten ihre Notdurft an den Zäunen. Die Ordner ließen sie gewähren. Ein Liebeslied singt Campino für zwei vermeintlich Verliebte in der ersten Reihe, die ihm so gut gefallen. Die beiden sind aber Geschwister.

Das Feuer brennt weiter Das Lagerfeuer in deutschen Wohnzimmern, vor dem sich einst die ganze Familie beim Fernsehabend versammelt hat, mag erloschen sein. Aber in der Mercedes-Benz-Arena züngelte es munter weiter. Wobei züngeln die Untertreibung des Jahrhunderts ist. Die fulminante Zwei-Stunden-Show der Entertainerin Helene Fischer versprach hochexplosiv zu werden: 60 Flammendüsen verwandeln die Bühne in einen Hexenkessel. 500 Kilogramm Pyrotechnik werden in die Luft geblasen. Der Strombedarf entspricht dem einer Kleinstadt. Und wofür das alles? Für eine der letzten großen Familien-Unterhaltungs-Shows. Großeltern sind mit ihren Enkeln angereist, die Eltern, so sie mitdurften, auch. Ein Blick auf den Wasenparkplatz zeigt, dass sich Helene Fischers Einzugsgebiet weit über die Grenzen der Stadt hinaus erstreckt. Die 45 000 Tickets waren schnell verkauft. Als gegen neun Regen einsetzt, zieht das Publikum im Innenraum Jacken über – und tanzt weiter. Längst lodert das Lagerfeuer so intensiv, dass ihm das Wasser nichts anhaben kann.

HN, KA, UL – alle sind sie gekommen.

Sexy Lenny Auf dem gesamten Schlossplatz wird dieses mitreißende Konzert gefeiert: Auch hinter den Absperrungen versammeln sich Hunderte, um Lenny Kravitz zu hören. Der herausragende Rocksänger stammt aus der Zeit der Sonnenbrillen. Cool ist er geblieben und mit seinen 54 Jahren sehr sexy, wie man Frauen schwärmen hört. Der US-Star gilt als schwierig. Jetzt ist nichts davon zu spüren. Am Ende steigt er von der Bühne zu den Fans hinab, lässt sich fotografieren und umarmt eine junge Frau. Im Publikum freut sich OB Fritz Kuhn, dass „Stuttgart brummt“. Die Stadt könne man in diesen Tagen in ihrer ganzen Vielfalt genießen, sagt er. Gute Stimmung herrscht danach bei Sponsoren, Festivalmachern und den Musikern der Vorband Last Internationale im Ristorante La Commedia. Zur After-Show-Party für Lenny Kravitz kommt Lenny Kravitz allerdings nicht. Die Gäste haben trotzdem Spaß. Gegen 1 Uhr erscheint der Manager und sagt, der Meister sei auf dem Weg nach Luxemburg. Dort spielt er am Montag.

Rapper daheim Noch besser als ein Tag am Meer ist ein Heimspiel der Fantastischen Vier. Zum 25-jährigen Bestehen der Jazz Open gab es ein besonderes Geburtstagsgeschenk jener vier Musiker, die ein Wahrzeichen der Stadt sind wie der Fernsehturm. Was geht? Sehr viel, wenn unter den 7000 Besuchern auf dem ausverkauften Schlossplatz alte Bekannte mithüpfen. Wenn Veteranen sich treffen, besteht die Gefahr, dass sie lamentieren, früher sei alles besser gewesen. So gut wie jetzt waren die Fantas noch nie. Wie der Wein scheinen Smudo, Thomas D., Michi Beck und Andi Ypsilon mit jedem Jahr besser zu werden, je älter sie sind. Für die Fantas hätten die Jazz Open dreimal so viele Karten verkaufen können. Festivalleiter Jürgen Schlensog will das Gelände nicht vergrößern, was möglich wäre. Der „intime Charakter“ der Jazz Open soll bleiben. Gut so!