Für Metal-Fans ein Muss: Tobias Sammet hat mit seinem All-Star-Projekt Avantasia am Freitagabend die Stuttgarter Schleyerhalle zum Beben gebracht – mit bewährtem Symphonic-Metal und Songs vom neuen Album „Here Be Dragons“.
Bis zum Parkplatz staut sich die Menge vor dem Einlass zum Avantasia-Konzert am Freitagabend in der Schleyerhalle. Im Saal selbst sieht die Sache schon anders aus; etwa ein Drittel der Halle ist abgehängt, vor der Bühne stehen die Fans zwar Schulter an Schulter, nach hinten hin zum in der Halle aufgebauten Getränkestand fransen die Reihen aber aus.
Dabei hat Avantasia in der Metal-Szene einen klangvollen Namen: Das All-Star-Projekt des Edguy-Sängers Tobias Sammet ist Dauergast auf renommierten Festivals wie dem Wacken Open Air und vereint bekannte Rock-Größen wie die Mr.-Big-Röhre Eric Martin und Kenny Leckremo der schwedischen Hard-Rock-Band H.E.A.T. in der aktuellen Besetzung.
Gruselmusical lässt grüßen
Passend zur bewusst theatralischen Klanglandschaft von Sammets Symphonic-Metal, der wuchtigen Gitarrensound mit Anleihen an klassischer Orchestermusik und irisch inspirierter Folklore mischt, ist hinter der Band eine Friedhofskulisse wie aus einem Gruselmusical aufgebaut: Auf falschen Stein-Säulen glimmen Laternen, während auf einer Leinwand grinsende Sensenmänner, Spukhäuser, Krähen, Hexen und Fledermäuse vorbei ziehen. Alle paar Sekunden züngeln Flammen in die Höhe, im Wechsel mit zischenden Rauchkaskaden.
Sammet stürmt auf die Bühne und knallt seinen Fans mit ordentlich abgemischtem Sound den ersten, lauten Kracher „Creepshow“ vor den Latz, ehe er die Stuttgarter aufgekratzt begrüßt: „Was für eine Stille! Ich glaub, das wird ein toller Abend.“ Es gebe nur eine Regel: „Jedes Mal, wenn ich ‚Stuttgart‘ sage, macht ihr Krach!“. Die Leute johlen und Sammet ist glücklich. Er und seine Bühnenkollegen werden an diesem Abend sehr oft ‚Stuttgart‘ brüllen, ein zweites Lieblingswort ist ‚Scheiß‘.
Dreifach-Power-Grätsche
Sammet ist ein hemdsärmelig lustiger Unterhalter, dessen Fröhlichkeit im Kontrast steht zum würdevollen Grimm und musikalischen Pomp seiner Kompositionen. Der Song „The Witch“ klingt im Live-Vortrag mit Sammet und dem zweiten Sänger Tommy Karevik kantiger und härter als auf dem neuen Studioalbum „Here be Dragons“, von dem Sammet an diesem Abend sechs Stücke spielen wird. Das schnell treibende „The Witch“ macht Spaß; Sammets höhere Stimmlage wird unterfüttert von Kareviks vollerem, rauen Organ. Beeindruckend auch das stoische Up-Tempo-Hämmern vom Edguy-Drummer Felix Bohnke, lustig die öfter demonstrierte Dreifach-Power-Grätsche vom Bassisten und zwei Gitarrenkollegen an der Rampe, nah bei den Fans.
Setlist von Avantasia in Stuttgart
- Creepshow
- Reach Out for the Light
- The Witch
- Devil in the Belfry
- Phantasmagoria
- What’s Left of Me
- Dying for an Angel
- Against the Wind
- Here Be Dragons
- Avalon
- Let the Storm Descend Upon You
- Promised Land
- The Toy Master
- Twisted Mind
- The Wicked Symphony
- Shelter from the Rain
- Farewell
- The Scarecrow
- Death is just a Feeling Encore
- Lucifer
- Lost in Space
- Sign of the Cross/The Seven Angels
Ein großer Teil des Song-Portfolios funktioniert genau so: Laut, schnell, mit Druck, viel Vibrato in den Stimmen und schwindelerregenden Gitarrensoli, was sich, wenn man ehrlich ist, als Konzept schnell abnutzt und über den Bogen des episch langen Abends bald ermüdet. Dazwischen lässt der getragene Kuschelrock von Stücken wie „Farewell“ Zeit zum Verschnaufen, wie Sammets ulkige Publikumsadressen, in denen er selbstironisch das eigene hohe Alter – Sammet ist 47 – und das seiner Fans anspricht. Er spiele nicht nur neuen Scheiß, auch ganz alten, verspricht er. Das Publikum jedenfalls hat er begeistert.