Michel Tabachnik Foto: dpa

Die Stuttgarter Radiosinfoniker des SWR hatten prominente Umbesetzungen bei ihrem jüngsten Konzert im Beethvoensaal der Liederhalle: Michel Tabachnik sprang für den erkrankten Dirigenten Vassily Sinaisky ein.

Stuttgart – Nun war auch noch Vassily Sinaisky erkrankt. Anstelle von Antonin Dvoráks sechster Sinfonie, End- und Höhepunkt seiner slawischen Phase, dirigierte nun Michel Tabachnik das Sinfonieorchester Stuttgart des SWR zu Dvoráks weitaus herbere Sinfonie Nr. 7 d-Moll op. 70.

Längst läuft die Karriere für den einst sowohl von Karajan wie Boulez stark geförderten 74- jährigen Genfer Dirigenten wieder einigermaßen rund, zehn Jahre nachdem der „fürchterliche Albtraum“ (Tabachnik) zweier Prozesse im Zusammenhang mit dem Massensuizid im „Sonnentempler-Orden“ in den französischen Alpen für ihn mit einem Freispruch geendet hatte. Wie schon zu Konzertbeginn, in Hector Berlioz` Konzertouvertüre „Der Korsar“, drehte er zur Freude der zahlreichen Besucher im Meisterkonzerte-Zyklus der SKS Russ den Musizierhahn weit auf. Mit voller Kraft voraus und düster vorwärtsdrängend stürzten sich die von Tabachnik straff geführten Radiosinfoniker ins Geschehen. Gelegentlich wurde vor lauter Überschwang allzu unbeschwert drauflos musiziert.

Dies alles kontrastiert vom Poco Adagio des langsamen Satzes, in dem die Streicher und Holzbläser ihre besonderen Qualitäten vorführen konnten. Gleichwohl richtet selbst allzu viel Hemdsärmeligkeit in der komplexen Siebenten, mit der sich Dvorák wohl seinem kritischen Förderer Johannes Brahms beweisen wollte, keinen Schaden an.

Die Angstliebe von Martin Helmchen

Statt der eine Armverletzung auskurierenden Pianistin Alice Sara Ott war Martin Helmchen (34) Solist in Robert Schumanns Klavierkonzert a-Moll, mit dessen (neuerdings auch auf CD vorliegender) Wiedergabe ihn jahrelang eine Art „Angstliebe“ verband. Seit seinem Stuttgarter SWR-Debüt-Erfolg als frisch gebackener erster Preisträger beim Genfer Clara-Haskil-Wettbewerb 2001 hat der gebürtige Berliner beträchtlich an künstlerischer Statur gewonnen. Helmchen, der Bravour nie als Selbstzweck einsetzt, sondern immer nur als Mittel zur Verdeutlichung, rückte den poetischen Reichtum des thematischen Materials in den Vordergrund, wobei er im langsamen Intermezzo im Verbund mit den Radiosinfonikern zu einer hinreißend sensiblen Musizierhaltung fand.

Den hochdifferenziert artikulierten Schlusssatz schließlich empfand Helmchen, im Übrigen ein Kammermusiker von hohen Graden, als wilde Kombination von romantischer Phantastik und pianistischem Elan. Mit der empfindsamen Zugabe von Schumanns „Der Vogel als Prophet“ wandelte er schließlich auf den Spuren des legendären Wilhelm Kempff.