Am Sonntag musizierten unter Leonhard Völlms Leitung die Martinskantorei, die Capella Sancti Martini und vier Vokalsolisten. Foto: Amelie Englert

Die Martinskantorei hat mit Johann Sebastian Bachs „Johannespassion“ ein gelungenes Konzert in der Martinskirche in Stuttgart-Möhringen gegeben.

Möhringen - Im Christentum meint man damit den Leidensweg Jesu, in der Musik dessen Vertonung. Der Begriff der „Passion“ ist ein sehr Vielfältiger. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist jemand „passioniert“, wenn er sich einer Sache mit leidenschaftlicher Begeisterung hingibt. Genau das ist am vergangenen Sonntagabend in der Möhringer Martinskirche zu erleben gewesen: Unter der Leitung von Kantor Leonhard Völlmhaben die Martinskantorei, die Capella Sancti Martini sowie vier Vokalsolisten mit ihrer „passionierten“, leidenschaftlichen Darbietung der ersten „Passion“ des großen Johann Sebastian Bach begeistert: der „Johannespassion“. Im Jahr 1723 komponiert und stofflich teilweise so aktuell, wie selten zuvor.

In seinem Werk beschreibt Bach den Leidensweg Jesu, von seiner Gefangennahme bis hin zur Kreuzigung. Im Mittelpunkt der Komposition steht das Verhör durch Pontius Pilatus, der Jesus eigentlich freisprechen möchte, sich aber schließlich dem Willen der wütenden Menschenmenge beugt und ihn zum Tod am Kreuz verurteilt. Für den Kantor Leonhard Völlm unterscheidet diesen „tobenden Mob“ von damals nicht viel von den Menschen, die heute durch Deutschlands Straßen laufen und „Wir sind das Volk“ schreien. Vielleicht ist es ihm daher gelungen, seine Martinskantorei so authentisch zwischen diesen „Turba-Chören“, die die dramatische Handlung zeigen, und den ruhigen Chorälen, in denen das Geschehene von einer höheren Ebene aus nochmals betrachtet wird, wechseln zulassen.

Eine wirkungsvolle Schweigeminute

Dass Johann Sebastian Bach seine Passion, die als kirchliche Komposition eigentlich frei von jeglicher Opernhaftigkeit zu sein hatte, mit vielen musikalischen Mitteln der barocken Opernwelt gespickt hat, zeigt sich auch in der Rollenverteilung der Solisten. Marcus Elsässer bringt beispielsweise als Evangelist die Handlung voran, rezitiert mit seinem weichen, perfekt intonierten Tenor eindringlich die Texte, die sich fast ausschließlich an Passagen aus dem Johannesevangelium orientieren. Diverse Arien schildern den Gemütszustand einzelner Personen, betrachten das Leiden Christi noch einmal aus verschiedenen Perspektiven. So singt Sabine Fock mit ihrem reinen Sopran beispielsweise von Leichtfüßigkeit und Freude, eines Jesus folgenden Jüngers. Und auch Anneka Ulmer entführt mit ihrem sanften Alt kurz aus der Düsternis der Johannes-Passion. Als warm klingender Jesus und scharf-herrschaftlicher Pontius Pilatus treibt Bariton Bernhard Hartmann die finstere Dramatik des Stückes auf die Spitze – so sehr, dass nach der schmerzvollen Verkündung Jesu Tod durch den Evangelisten, Völlm und die gesamte Besetzung in einer äußert wirkungsvollen „Schweigeminute“ verharren. Trotz aller Finsternis macht die Martinskantorei im letzten Choral Hoffnung auf einen Neuanfang. Die Kirchenglocken läuten diesen schlussendlich ein und das Konzert aus.

Leonhard Völlm und seinen Musikern ist mit diesem Abend ein sehr schönes Konzert gelungen, dessen Passion und Leidenschaft, gemeinsam Musik zu machen, bis in die oberen Ränge zu spüren war.