Macklemore versteht sich als das selbstironische und selbstkritische Rap-Überwesen zu inszenieren, das er vor allem dank der Fähigkeiten seines Kollegen Ryan ­Lewis geworden ist. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Ist das noch Unterhaltung, oder ist das schon Nachhilfe in Sachen gesellschaftliches Zusammenleben? Gestützt von gigantischen LED-Screens, Tänzern und Konfettiregen kredenzte Macklemore in Stuttgart seinen poppigen Rap.

Stuttgart - Schon das Eröffnungsstück „Light Tunnels“ wie auch „This Unruly Mess I’ve Made“, das erste Stück der aktuellen Platte, thematisieren Macklemores Aufstieg, seinen Ruhm, die Preisverleihungen, die Drogen, die Einsamkeit – allem Rampenlicht zum Trotz.

Im Hintergrund flackern am Dienstagabend in der Schleyerhalle die Kanye Wests und Kardashians über die gigantische LED-Anlage, die die Show der Scorpions einen Tag zuvor wie einen Altherrenwitz aus den Achtzigern wirken lässt. In der Halle flippen 8000 überwiegend sehr junge Leute aus. Denen ist es wahrscheinlich egal, ob Macklemore jetzt eher ein Popmusiker mit Rap-Anleihen ist oder ein Rapper mit Pop-Appeal. Sie wollen vor allem feiern.

Fest steht indes: Allein inhaltlich grenzt Macklemore sich maximal ab von anderen Pop-Rappern, mit Pandamaske oder ohne, und er wird nicht müde, für Schwulenrechte und gegen Rassismus zu rappen. Das sind alles keine neuen Botschaften. Es kann aber nicht schaden, sie einem überwiegend jungen Publikum wieder und wieder einzutrichtern.

Macklemore inszeniert sein Konzert als überzogene Rap-Oper, als theatrale Performance

Unterhaltung ist dennoch das A und O einer Show, bei der bis auf Macklemores Lines alles vom Band kommt. Dass so etwas ein zweischneidiges Schwert ist, weiß er natürlich. Er macht sich diesen Umstand jedoch zunutze und inszeniert sein Konzert als Rap-Oper im überzogenen Baz-Luhrman-Stil, als theatrale Performance, bei der jeder sofort sieht, dass die Bläser, der Trommler oder die Geiger gar nicht wirklich spielen. Und plötzlich funktioniert auch ein absurder Abgesang auf die Food-Industrie („Let’s Eat“). Wie im Theater eben, nur mit mehr Wumms. Die Maxi-Playback-Show, oder so ähnlich.

Macklemore und sein stets unauffälliger Produzentenkomplize Ryan Lewis bieten jedenfalls deutlich mehr als Kanye West vor wenigen Wochen im New Yorker Madison Square Garden, wo er sein neues Album vorstellte. Da ging der Rapper mit dem Gottkomplex natürlich mal wieder neue Wege. Statt ein Release-Konzert zu geben, wie es ja sonst irgendwie jeder macht, packte er Dutzende schwarze Models in seiner Kollektion auf die Bühne, ließ sie dort reglos verharren, während er auf Play drückte und das Album abspielte. Vom Band. Inszenierung, Show und Performance sind bekanntlich alles im Rap-Game, und Kanye West als unbestritten visionärer Großmeister dieses Handwerks weiß das natürlich besser als jeder andere.

Er fragt sich, ob er als Weißer überhaupt rappen darf

Macklemore und Lewis müssen sich in dieser Hinsicht allerdings auch nicht verstecken. Ihr Gastspiel in der Schleyerhalle hätte zwar deutlich weniger „Das ist das beste Konzert aller Zeiten!“-Heucheleien und Bratwurst-Witze vertragen; ansonsten weiß sich Seattles derzeit erfolgreichstes Kind als das selbstironische und selbstkritische Rap-Überwesen zu inszenieren, das er vor allem dank der Skills von Ryan Lewis geworden ist und des Mega-Erfolgs von „The Heist“, ausgezeichnet mit dem Grammy für das beste Rap-Album.

Wie kein anderer Künstler seiner Zeit thematisiert Macklemore seine Rolle als Popstar wider Willen öffentlich, singt in „White Supremacy II“ nachdenklich darüber, wie ihn das System, gegen das er ja eigentlich ist, reich und berühmt gemacht hat und ob er als Weißer überhaupt rappen darf. Das ist allein aufgrund seiner behüteten Verhältnisse nicht ganz Eminem, aber beeindruckend selbstreflektiert.

Diese innerliche Zerrissenheit kann schnell in Selbstmitleid ertrinken. Tut sie bei ihm aber so gut wie nicht. Macklemore wandelt auf dem schmalen Grat zwischen Popstar-Gestus und Unsicherheit vielleicht eine Spur zu souverän, stellt sich und seinen Hörern vielleicht eine Frage zu viel. Er macht aber durchaus seinen Punkt: Er will nicht dazugehören zu all den Global Playern der Musik, fährt der Industrie, der Gesellschaft und der Politik derart hart in die Parade, dass man es ihm manchmal auch glaubt.

20 Sekunden für die Ewigkeit

Ob er all seine Platin-Auszeichnungen und sein volles Bankkonto wirklich wieder dafür hergeben würde, ist natürlich fraglich. Dass man ihn dafür derart runtermachen muss, wie es insbesondere unter Kritikern derzeit en vogue ist, natürlich auch.

Bevor der kurzweilige Auftritt nach 90 Minuten mit der Old-School-Verbeugung „Dancefloor“ beschlossen wird, dürfen zwei besonders agile Fans beim massiven „Dance Off“ in 20 Sekunden auf der Bühne beweisen, was sie draufhaben. 20 Sekunden für die Ewigkeit. Oder zumindest für den Youtube-Kanal.