Das Uri Caine Trio begeisterte im Esslinger Jazzkeller mit souveränem Spiel und ungewohnten Klängen. Es war ein Höhepunkt im Programm zum 30-jährigen Jubiläum der Wiedereröffnung des Jazzkellers.
Mit einer Reihe hochkarätiger Konzerte feiert der Jazzkeller Esslingen das Jubiläum zur Wiedereröffnung des legendären Kellergewölbes in der Webergasse 22 vor 30 Jahren, das nach der Schließung Mitte der 1970er Jahre erst 20 Jahre später wieder bespielt werden konnte. Die Jazzkeller-Crew um Barbara Antonin und Claudia Leutner servierte am Donnerstagabend einen besonderen musikalischen Leckerbissen: Zwischen Konzerten in Barcelona und Amsterdam machte das weit über die USA hinaus bekannte Uri Caine Trio auf seiner Europatournee Station in Esslingen.
Im vollbesetzten Keller brannte das Trio ein Feuerwerk der Improvisationen ab und sparte nicht mit allerlei Kabinettstückchen. Der Pianist Uri Caine ist ein Hansdampf in allen Gassen – er ist sowohl im Jazz wie auch in der Klassik zuhause. Bei seinen souveränen Tastengängen spürte man, dass er nicht nur beim Jazzer Bernard Pfeiffer gelernt hat, sondern auch wesentlich vom Nestor der Neuen Musik Amerikas, George Crumb, beeinflusst wurde. Das fulminante Spiel des 68-Jährigen vereint das Beste aus beiden Welten: Seine kreative Dynamik, die Kunst des differenzierten Anschlags und eine emotionale Tiefe in der Tongebung fesselten das fachkundige Jazzkeller-Publikum vom ersten Ton an.
Blindes Verständnis unter den Musikern
Natürlich kann ein Triospieler seine Kunst nur voll ausleben, wenn er mit Kollegen auf der Bühne steht, die sich auf Augenhöhe bewegen. Mit Mark Helias (Bass) und dem Schlagzeuger Joey Baron versteht sich Caine blind. „Ich traf die beiden in New York City, wo wir in diversen Bands die Rhythmsection bildeten. Vom ersten Moment an spürten wir unsere musikalische Verbindung, und jedes Mal im Trio wird’s explosiv!“
Diese knisternde Spannung spürte man auch im Jazzkeller, als das Trio eine exquisite Mischung von Originals, Eigenkompositionen und Improvisationen zum Besten gab. Der Eröffnungstitel „Runaway“ startete mit einer Kaskade atonaler Klavierakkorde, einer Hommage an die Neue Musik mit ihrer alle Grenzen sprengenden Harmonik. Nach und nach schlichen sich jazzige Elemente ins Triospiel ein. Cain zauberte elektrisierende Klänge aus dem Flügel, der Drummer gab dynamisch ordentlich Gas und Mark Helias zupfte sich virtuos durch die Lagen seines Basses.
Ständig wechselten Tempo und Intensität des klanglichen Geschehens. Mal war fetziger Groove angesagt, dann wieder blieb die Musik fast stehen und gab Raum für intime Klangspiele, die mit kammermusikalischer Transparenz überraschten.
Stets waren Caine und seine Mitstreiter gut für überraschende Wendungen, und immer wenn das Publikum dachte, der Titel sei zu Ende, gab einer der Akteure den Impuls für die nächste Runde faszinierender Tonspiele. So entstand im 50-minütigen, nonstop durchlaufenden Tongewitter des ersten Sets zu keiner Sekunde Leerlauf oder gar Langeweile.
Den Jazzkeller zum Beben gebracht
Nach der Pause ging es munter weiter. Wilde pianistische Klangkaskaden und gewaltige Schlagzeugeruptionen brachten den Jazzkeller zum Erbeben – dann wurde es bei Caines Eigenkomposition „Fidget with the Truth“ ruhiger. Klavier und Bass führten intime Dialoge, geschmackvoll grundiert von Joey Baron, der mit den Jazzbesen feine Töne aus seinen Trommeln streichelte. Doch schon bald nahm die Musik wieder Fahrt auf. Das Trio bewegte sich souverän in seiner originellen Klangwelt, wobei Uri Caine ein ums andere Mal mit spontanen Ideen und klavieristischen Hexenmeistereien überraschte. Joey Baron durchschritt an Trommeln und Becken ein weites dynamisches Feld, vom zarten Pianissimo bis hin zu gewaltig dröhnenden Angriffen auf das Trommelfell, und der Bassist ließ bei seinen virtuosen Chorussen die Finger heiß laufen. Als das Uri Caine Trio im furiosen Finale nochmals alle Register gezogen hatte, waren sich alle einig: Man hatte im Jazzkeller eine Sternstunde des Jazz erlebt.