Später wird er auf diesem schönen schneeweißen Klavier auch noch stehen: James Blunt bei seinem Konzert in der Schleyerhalle Foto: Lichtgut/Oliver Willikonsky

Der britische Sänger und Songwriter James Blunt hat in Stuttgart seine Welttournee eröffnet. In der Schleyerhalle präsentiert der Musiker seine größten Hits und sein neues Album „The Afterlove“.

Stuttgart - Irgendwo muss man ja anfangen. Warum also mal nicht in New York, Rio oder Tokio, sondern in Stuttgart? Hier jedenfalls hat der britische Sänger und Musiker James Blunt das bestritten, was auch altgediente Konzertbesucher in der Schwabenmetropole noch nicht erlebt haben: nämlich den Auftakt einer Welttournee. Sie führt den Briten in den kommenden Monaten durch Europa, Fernost und Australien. So gesehen durften die Besucher in der Schleyerhalle am Donnerstagabend also einmal Mitwirkende eines wirklich außergewöhnlichen Konzertabends werden.

Zuvor allerdings befand sich James Blunt schon auf einer dreieinhalbmonatigen Nordamerikatour, die erst am Samstag in der schönen Countryhochburg Nashville ihr Ende fand. Auf dieser Tournee trat Blunt aber bei rund siebzig (!) Konzerten im Vorprogramm von Ed Sheeran auf.

Nun könnte man es merkwürdig finden, dass ein Weltstar wie Blunt sich dafür hergibt, für Jungspunde wie Sheeran den Einheizer zu geben. Und Blunt nimmt dazu in der Schleyerhalle auch Stellung. Gleich zweifach. Sheeran sei in den USA nun mal die größere Nummer als er, und deshalb sei er die „Bitch“ für Sheeran gewesen, sagt Blunt kurz nach Beginn des Abends, als er sich erstmals ausführlich an die Zuhörer wendet. So weit, so gut und vielleicht sogar aus ökonomischen Gründen nachvollziehbar. Denn die bestuhlte Schleyerhalle (ungewöhnlich bei Popkonzerten von knapp vierzigjährigen Musikern) ist mit weniger als siebentausend Zuschauern weit davon entfernt, ausverkauft zu sein, das hintere Viertel ist dezent abgehängt. Als er später zum Publikum spricht, sagt er dann, abermals auf die US-Tour zurückkommend: „Ed is the bigger artist.“ Meint er’s entschuldigend oder ironisch? Man weiß es nicht und weiß auch nicht so recht, was man glauben soll. Rechtfertigen muss er sich gewiss nicht, Sheeran ist keinesfalls der bessere Künstler. Sarkasmus ist nun allerdings auch nicht gerade Blunts Markenzeichen, dazu ist er – Bitch hin oder her – ein viel zu braver Bub.

In erster Linie will er unterhalten

Seine Besucher unterhalten will er, ihnen Freude bereiten. Das spürt man, das sagt er selbst in einer weiteren Ansprache, und das ist ja auch ein völlig legitimes künstlerisches Ansinnen. Mit im wörtlichen wie übertragenen Sinne jeder Menge Schwung kommt er auf die Bühne geflitzt, fordert – auch das ist sehr ungewöhnlich – das Publikum armrudernd auf, schon direkt zu Konzertbeginn aufzustehen, und stimmt dann seinen auch von allen deutschen Hörfunkwellen sattsam bekannt gemachten Kracher „Heart to Heart“ an. Am Stehklavier, schneeweiß wie die ganze Bühne folgt die Ballade „I’ll take everything“ und – nun wieder an der Gitarre – der nächste Hit „Wisemen“.

Exemplarisch gibt er so die Marschroute für den Abend vor. James Blunt hat ein ganzes Füllhorn voller Welterfolge vorzuweisen, und er schüttet es komplett aus, unterbrochen nur von den Songs seines aktuellen Albums „The Afterlove“, die er nahezu allesamt spielt. Es sind teils ruhigere Nummern, teils flottere, das kommt der Varianz des Abends zugute. Das federnde „Postcards“ spielt er zur Mitte des Konzerts, bald darauf „High“, die Erfolgsballade „You’re beautiful“ folgt kurz vor dem Ende des regulären Sets. Dieses klingt mit seinem Robin-Schulz-Cover „OK“ und schließlich dem letzten Hit „Stay the Night“ aus. Beziehungsweise dem vorletzten, denn in der standardisierten Drei-Song-Zugabe kommt zum Abschluss „Bonfire Heart“.

Damit wären sie dann alle komplett, und man staunt am Ende dann doch über all diese Hits, an denen allen Blunt als Songschreiber beteiligt ist. Respekt muss man ihm dafür zollen, und loben kann man ihn auf jeden Fall auch für die fluffige Art, in der er auf der Bühne Klavier, E- und Akustikgitarre spielt sowie zu „Postcards“ Ukulele. Das ist zwar nicht virtuos, aber doch solide. Seine Begleitband agiert dazu bei übrigens sehr stimmigem Schleyerhallensound in tadelloser Akkuratesse. Von Anlaufschwierigkeiten, Unstimmigkeiten oder gar technischen Patzern, wie sie bei einem Tourauftakt ja durchaus vorkommen könnten, kann überhaupt keine Rede sein.

Fragen bleiben offen

Über Blunts schneidende Singstimme könnte man schließlich viele Worte verlieren. Sie fällt oft in ein leicht heulendes Halbfalsett, bisweilen ist sie auch in der Schleyerhalle kurz davor, sich zu überschlagen, aber das war allen Beteiligten ja vorher bekannt. Fragt sich also abschließend, warum nur siebentausend Menschen in jene Halle gekommen sind, die er bei seinem letzten Gastspiel vor drei Jahren noch ausverkauft hat. Wird der ehemals überzeugt Schwerter schwingende Gardeoffizier der britischen Armee sein Vom-Saulus-zum-Paulus-Image als geläuterter schmusiger Frauenversteher nicht los? Fehlt dem Mann, der mit einem Evel-Knievel-T-Shirt auf der Schleyerhallenbühne steht, der Wagemut des berühmten Motorradartisten? Oder hat er, der hier vor sehr mitgereiftem Publikum spielt, es versäumt, auch Jüngere anzulocken? Viele Fragen. Aber er hat ja jetzt eine ganze Weltreise lang Zeit, über Antworten nachzudenken.