Ein Gruß in die Halle von George Ezra Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Er hat eine ganz besondere Stimme, singt schlaue Gute-Laune-Songs und produziert einen Ohrwurm nach dem anderen: Der 25-jährige Brite George Ezra weiß auch in Stuttgart eine ausverkaufte Schleyerhalle restlos zu begeistern. Wie schafft er das?

Stuttgart - Junge Singer-Songwriter gibt es allenthalben viele im jungen 21. Jahrhundert. Der Brite George Ezra hebt sich deutlich ab von ihnen. In vier Jahren veröffentlichte er zwei Alben, die beide in seiner Heimat den ersten Platz der Hitparaden belegten und auch in Deutschland an die Spitze schossen. Wer diese Alben hört, der hört clever eingespielte Gute-Laune-Hits mit Ohrwurmcharakter. Wer Ezra auf der Bühne erlebt, erlebt einen Künstler, der sich erstaunlich souverän, stilvoll und vielfältig präsentiert. 12 000 Menschen kamen zu dem Konzert, das George Ezra am Samstagabend in der Hanns-Martin-Schleyer-Halle gab.

Den Eintritt wert ist an diesem Abend alleine schon Ezras Vorgruppe, die famose Hot 8 Brass Band aus New Orleans, die mit Pauke, Trompete, Posaunen, Saxofon, Sousafon und Snare Drum erst die frei swingende Nähe zum Hip-Hop sucht, dann eine Hommage an Marvin Gaye spielt, und die auch den Reggae kann – acht Musiker, die ungebändigte Energie in die Halle bringen, das Publikum schon mitreißen, ehe der Star die Bühne betritt.

Die Morningshow weckt unsanft

George Ezra selbst lässt dann lange auf sich warten. Pünktlich um 21 Uhr schließlich tritt er auf. Zuvor erlischt das Saallicht, aber die Bühne bleibt noch leer; ein Song von Oasis ist in voller Länge zu hören. Gleißend rot der Display eines Radioweckers auf den Bildwänden. Die Sekunden ticken dahin bis sie die volle Stunde erreichen: morgens um Sieben, ein schrilles Geräusch beißt sich ins Dunkel und die Moderatoren der SWR3-Morningshow beginnen fröhlich zu plaudern: „Es ist ein toller Tag, und ihr wisst, was ein toller Tag braucht? Die Songs eines tollen Typen!“

George Ezra entschädigt sein Publikum schnell für diesen Schock. Er tritt ans Mikrofon, nimmt die Gitarre auf. „Don‘t matter now“, die erste Single seines zweiten Albums, ging 2017 am deutschen Publikum noch vorüber – am Samstagabend kommt sie an.

Ungewöhnlich ist Ezras voller Bariton

Ungewöhnlich ist alleine schon Ezras Stimme, ein voller Bariton, den man einem Sänger, der in drei Wochen erst seinen 26. Geburtstag feiern wird, kaum zutraut. George Ezra tritt auf ganz in Schwarz, wird von den Bildwänden oft eingefangen vor einem tiefroten Hintergrund, wirkt ganz und gar ruhig, gelassen, wird dem Publikum zwischen seinen Liedern immer wieder Geschichten aus seinem Leben erzählen, von seinen Reisen, im schweren Akzent seiner Heimat. Er hebt die Arme leicht, begleitet seine Worte mit sparsamen Gesten, ist ganz Zurückhaltung, britischer Humor, lässt den Gefühlen freien Lauf, wenn er singt, und weiß mit seiner Stimme umzugehen.

Abstinenz predigt dieser junge Star nicht. Im Gegenteil: er erzählt davon, wie er für seine Schallplattenfirma eine Reihe von Musikvideos aufnahm, in denen er seine eigenen Songs in Karaoke-Manier sang und sich dabei zunehmend betrank. Er erzählt, wie er Europa bereiste und einige Zweit bei drei jungen Frauen in Schweden verbrachte, die sich für den Eurovision Song Contest begeisterten. George Ezra ließ sich höflich von dieser Begeisterung anstecken, litt dann offenbar aber sehr, als er entdeckte, dass in Schweden nach 21 Uhr kein Alkohol erhältlich ist, um sein Leid zu lindern.

Mit den Songs einmal quer durch Europa

Jede dieser kleinen Geschichten führt hin zu einem Hit, den Ezras Fans unterdessen lange schon erkannt haben – sie feiern mit ihm „Barcelona“, feiern mit ihm „Budapest“, Stationen seines Reisetagebuches. George Ezra wird begleitet von Keyboard, Piano, Schlagzeug, Gitarre, Bass und drei temperamentvollen Musikerinnen, die Trompete, Saxofon, Posaune spielen. Seine Bühne zieren hohe Fensterbögen, durch die traumhaft bunte Landschaften scheinen; Wohnzimmerlampen stehen nahebei.

Vornehm, stilvoll, in dunklen Retro-Tönen ist all dies inszeniert; George Ezra tritt auf als der Crooner seiner Generation. Einmal verlässt er die Bühne, legt zuvor den Tonarm eines Grammophons auf, das minutenlang eine knisternde Bluesstimme erklingen lässt, kehrt dann zurück und spielt mit seiner Band das finstere, wuchtige Stück „Did you hear the Rain““, beweist so, dass er weit mehr kann als nur den leichten, eingängigen Feelgood-Song.

Den jedoch beherrscht er in Perfektion. „Pretty shining People“, das erste Stück des zweiten Albums, die jüngste Single, lässt die Schleyerhalle tanzen, toben, lässt die Hände kreisen: „The Answer is easy“, singt George Ezza, singen seine Fans. „Don‘t we all need Love?“