Jens Heckermann (Gitarre) vor Konzertbesuchern und der Marktplatzkulisse. Foto: Martin Tschepe/ 

Jürgen Frey veranstaltet in seiner Wohnung ganz oben im Marstall-Center in Ludwigsburg coole Konzerte – eine nächtliche Stippvisite mit Ausblick über die Stadt.

Welch Ausblick! Was für ein Sound! Die 50 Besucher dieses Konzerts in Ludwigsburg sind handverlesen – und wissen während des Gigs oft gar nicht, wohin schauen: zu den Musikern direkt vor ihrer Nase oder lieber hinunter in Richtung Marktplatz und Weihnachtsmarkt. Die Bühne ist in einer extravaganten Wohnung im 16. Stock im Marstall-Center.

 

Ein Abend in der Vorweihnachtszeit. Jürgen Frey hat wieder eingeladen nach ganz oben. Zum Konzert mit Weitblick. In dem Wohnturm mitten in der City gibt es in der oberen Etage eigentlich zwei kleine Wohnungen je Stockwerk. Eigentlich. Frey, 69 Jahre jung, pensionierter Pädagoge und selbst passionierter Musiker, besitzt in diesem 16. Stock beide Einheiten – und hat vor ein paar Jahren eine Wand geöffnet. Aus zwei winzigen Apartments wurde eins. Und was für eines! Der Mann ist immer noch begeistert und sagt mit einem Augenzwinkern, er fühle sich moralisch verpflichtet, diese Wohnung gelegentlich mit anderen zu teilen. Deshalb organisiert er Konzerte.

An den Wänden von Freys Zimmern hängen großformatige Fotos von Musikern, zum Beispiel von Udo Lindenberg. Viele Sitzgelegenheiten sind aufgebockt, damit man auch ohne aufzustehen hinunter schauen kann auf die Stadt. Aus der nun etwa 80 Quadratmeter großen Wohnung haben Frey und seine Gäste während des Konzerts einen grandiosen Panoramablick – nach Osten zum Schloss, nach Süden in Richtung Stuttgart und nach Westen auf den Hohenasperg.

Viele Wiederholungstäter

Die meisten Besucher dieses Gigs der Formation Hearts and Bones meets Kauz kennen sich, viele sind Wiederholungstäter, waren schon öfter bei einem dieser speziellen Konzerte von Jürgen Frey. Alle hocken dicht beieinander. Auf Stühlen, Bänken, Sofas. Und auf der improvisieren Bühne in Freys Wohnzimmer spielen Biggi Binder, die ehemalige Frontfrau der Schwaben-Folkrock-Band Wendersonn und Barbara Gräsle (die beiden sind Hearts and Bones) sowie Jens Heckermann alias Kauz, früher Mitglied der Rockgruppe Vaseline Joystick.

Jürgen Frey fühlt sich nach eigener Aussage „moralisch verpflichtet“, seine Wohnung mit anderen zu teilen. Foto: Martin Tschepe

Dieses grandiose Trio sorgt bei seinem ersten Marstall-Konzert vom ersten Song an für Stimmung. Die drei Musiker präsentieren eine beeindruckende Bandbreite, sie spielen Songs von Roger Cicero und Cindy Lauper, von Paul McCartney, von Soft Cell und Wolle Kriwanek, von Spandau Ballet, Janis Joplin, Gloria Estefan und und und. Nach jeweils knapp einer halben Stunde Stimmgewalt und Saitenspiel ist Pause. Dann ruft Jürgen Frey: „Zeit für Nachschub!“ Seine Gäste holen sich das nächste Bier oder den nächsten Wein – schon geht’s weiter im Programm.

Die Bühne ist „der Knaller“

Wen man auch fragt in einer der Spielpausen, fast jeder und jede sagt Sätze wie diesen: „Was für eine Location! Einmalig.“ Auch Biggi Binder ist begeistert: Diese kleine Bühne über den Dächern der Barockstadt sei „der Knaller“. Barbara Gräsle sagt, das Motto der Veranstaltung „Hautnah im Turm“ sei so was von treffend gewählt. Jens Heckermann sagt: „Macht Spaß hier“ – und strahlt. Zu vorgerückter Stunde versprechen er und seine Kolleginnen: „Wir kommen wieder.“ Applaus. Irgendwann nach 22 Uhr ist das Konzert zu Ende. Schluss aber noch lange nicht – erst weit nach Mitternacht verlassen die letzten Konzertbesucher die höchst gelegene Bühne Ludwigsburgs.

Die meisten hoffen, dass sie mal wieder eingeladen werden, wenn Jürgen Frey seine E-Mail mit den Terminen für die nächsten Konzerte im Turm verschickt hat. Wer so eine Mail bekommen hat, kann sich bewerben um einen der begehrten Plätze. Übrigens: Der Eintritt zu den Gigs im Marstall ist frei. Der Gastgeber bittet aber um großzügige Spenden für die Musiker. Die Besucher mögen doch Geld in den Kulturbeutel stecken. „Es darf nicht klingeln“, sagt Frey und grinst: bitte keine Münzen, nur Scheine!

Die Gigs hoch droben

Konzerte
Jürgen Frey veranstaltet etwa zwölf Konzerte im Jahr, immer von Dezember bis in den Sommer hinein. Im Herbst ist er meistens mit einem Camperbus unterwegs. Im Mai tritt Frey erstmals selbst auf in seiner Wohnung mit Weitblick – mit seiner Band Drecksglomb.

Veranstalter
Jürgen Frey ist ein Multitalent. Der ehemalige Sport-, Religions- und Techniklehrer der Sophie la Roche Realschule in Bönnigheim macht Musik, er veranstaltet Konzerte – früher im Kultur-Keller Bönnigheim – und hat das Stadtspiel Ludwigsburg entwickelt.