Die STB Big Band stand in klassischem Schwarz auf der Bühne. Foto:  

Der Sound der STB Big Band trifft auf den Alphorn-Techno von Loisach Marci. Kann das gut gehen? Ja, denn trotz oder gerade wegen der Unterschiede ist das Zusammenspiel beeindruckend.

Ein riesiges Alphorn ragt von der Bühne bis in die ersten Zuschauerreihen. Am anderen Ende des Horns steht Loisach Marci in Krachlederner und mit Adlerfeder am Filzhut hinter einem Tisch mit allerlei elektrischen Geräten. Das Licht ist gedimmt, in einen sphärischen Klangteppich werden hallende Trompetentöne oder ein Adlerruf eingewebt. Dann ruft tief das Alphorn. Wir werden am „Königssee“ abgeholt. Der Rhythmus zieht an. Die Reise kann beginnen.

 

Eine Reise mit den Ohren, denn man befindet sich im Odeon der SMTT Sindelfingen. Hierhin hat die IG Kultur Sindelfingen zu einer weiteren Veranstaltung der Reihe „STB Big Band trifft…“ geladen. Dass bis auf ein paar Plätze im Rang alle Sitze belegt sind, liegt zum einen an dem sehr guten Ruf der STB Big Band, zum anderen an der außergewöhnlichen Kombination mit dem Alphorn-Techno von Loisach Marci.

Loisach Marci spielt 14 Instrumente

Loisach Marci (bürgerlich: Marcel Engler) kann mit seinem breiten bayrischen Dialekt seine Herkunft nicht verleugnen – übertriebenes Heimatgefühl liegt ihm jedoch fern. Vielmehr geht es ihm um das Erweitern von Grenzen und das Zusammenbringen von Elementen, die zunächst schwer vereinbar scheinen. Als jemand, der 14 Instrumente beherrscht, steht einem ja vieles offen. Wieso also gerade Alphorn und Elektronik? „Das war purer Zufall“, erzählt er. „Ich war eingeladen, auf einem Festival zur Eröffnung Alphorn zu spielen. Während des Soundchecks legte ein DJ bereits auf und ich fing einfach an, zu seinen Beats zu spielen. Ein Soundtechniker zog die Regler hoch und die Magie war geboren.“ Ihm ist wichtig klarzustellen, dass die Instrumente bei seiner Musik im Vordergrund stehen und die Elektronik das liefern soll, was „mein Alphorn braucht“. Und da die Elektronik nicht starr ist (vielmehr einzelne digitale Instrumente wie Sampler, Effektgeräte und Synthesizer), kann er auf die „Tagesform“ seiner analogen Instrumente eingehen. Play-back gibt es nicht, Improvisation ist immer möglich.

Magnus Mehl ist der STB Big Band-Dirigent. Foto: Eibner/Roger Buerke

Der Beginn dieses Abends gehört aber zunächst dem Big Band-Sound. In klassischem Schwarz entert die 19-köpfige STB Big Band die Bühne und beweist mit zwei Titeln des legendären Count Basie, dass man auch sie getrost zum Swing-Adel zählen darf. Anschließend wird zusammen mit Sängerin Pearl Bretter gezeigt, wie abwechslungsreich und mitreißend Big Band sein kann. Beim abschließenden „Blues in Latin“ dürfen sich die Musiker noch mal richtig präsentieren – mit ganzen sieben Soli. Das Publikum geht mit und gibt seiner Begeisterung nach jedem Solo lautstark Ausdruck.

Das Alphorn und das Alpenglühen

Bevor es in die Pause geht, kommt Loisach Marci noch mit auf die Bühne. Er tritt hinter Alphorn und Elektronik, um zusammen mit der STB Big Band ihre Version eines Swinging-Alphorn-Technos vorzuführen. Das Stück wurde speziell für diesen Abend von der SMTT im Auftrag komponiert. Der Big-Band-Sound wird durch elektronische Beats und Samples in das 21. Jahrhundert getragen. Das Alphorn kündet vom morgendlichen Alpenglühen, bis Saxofon und Mundharmonika das Publikum kraftvoll in den alpinen Sonnenaufgang schieben. Das Treffen von Big Band und Alphorntechno – auf dem Konzertflyer seltsam anmutend – funktioniert hier im Odeon sensationell gut.

Loisach Marci ist auch optisch ganz Bayer. Foto: Eibner/Roger Buerke

Der zweite Teil des Abends gehört dem Solo-Programm von Loisach Marci. Wo eben noch 20 Leute auf der Bühne waren, steht / hüpft / tanzt jetzt nur noch einer. Wo eben noch ausgefeilte Soli gespielt wurden, bläst Loisach Marci mal hier rein, drückt dort einen Knopf oder wirbelt mit einer Heulnudel. Dies jedoch keineswegs unkoordiniert, er generiert damit dichte treibende Klangteppiche, die Assoziationen an Zugfahrten durch Alpentäler oder Gipfelersteigungen wecken und zum Tanzen gemacht sind. Vielleicht ist sich noch nicht jeder im Publikum sicher, ob diese Reise etwas für ihn ist, aber es geht auf den Höhepunkt zu. STB Big Band-Dirigent Magnus Mehl kommt mit Saxofon zu Loisach Marci auf die Bühne und die nächsten zwei Stücke werden zusammengespielt – ungeprobt, „denn ihr wollt’s a Gaudi ham.“

Ein Soundtrack zwischen Film Noir, Terminator und Helms Klamm

Zusammen lassen sie eine große Leinwand entstehen: Das Saxofon von Magnus Mehl als zentrales Objekt, mal schwarz-weiß, mal grell leuchtend, während Loisach Marci mit Break Beats und Synthie in die Fläche malt und gezielt Akzente mit Trompete, Alphorn oder Löffel setzt. Ein Soundtrack zwischen Film Noir, Terminator und Helms Klamm. Die Reisegruppe ist begeistert.

Die nächsten Etappen bestreitet Loisach Marci wieder allein, bis sein Zug ein letztes Mal auf der Mundharmonika pfeift und das Ziel erreicht ist. Fast jedenfalls. Denn zum Abschluss kommt die STB Big Band zu ihm auf die Bühne, um auch die zweite Halbzeit gemeinsam zu beenden. Diesmal scheint der Alphorn-Techno durch die Big Band bereichert zu werden. Alles wohl eine Frage der Perspektive. Und wenn man eine tiefere Lehre aus diesem Abend ziehen möchte, dann vielleicht die, dass gerade dann, wenn große Unterschiede überwunden werden, auch großartige Dinge entstehen können. Man muss nur anfangen, die Gemeinsamkeiten zu betonen, und bereit für die Reise sein.