Mit einem Daumenklavier und weiteren Schlaginstrumenten überrascht das Pax Percussion Quartett die Zuhörer. Foto: factum/Bach

Auf der Solitude gehen Augen und Ohren auf Entde­ckungsreise. Und mancher Konzertbesucher wundert sich nicht nur einmal.

Gerlingen -

So etwas hat der Sonnengott Apollo noch nicht erlebt, der vom Deckengemälde des Weißen Saals von Schloss Solitude nach unten blickt: Vor den Zuschauerreihen tummeln sich am Samstagabend Trommeln in allen Größen und Formen, Kuhglocken ruhen auf dem Parkett, dazwischen ragen ein riesiges Marimba- und ein Vibrafon, Gongs und manches andere in die Höhe. Alles gehört zum Benefizkonzert des Lions Club Solitude, wofür Das Pax Percussion Quartett angereist ist.

Aus vier verschiedenen Nationen stammen dessen Mitglieder Semi Hwang (Südkorea), Kucas Gerin (Frankreich), Emil Kuyumcuyan (Kroatien/Türkei) und Johannes Werner (Deutschland). Gekommen ist das Quartett jedoch zu fünft. Denn die vier jungen Musiker sind allesamt Studenten von Professor Klaus Dreher an der Stuttgarter Musikhochschule – jeder einzelne mit Preisen ausgezeichnet.

Dass sich dieser Abend von den bisherigen zwölf Benefizkonzerten unterscheiden wird, zeichnet sich schon zu Beginn ab. Denn während das Publikum gespannt nach vorn auf das beeindruckende Arsenal an Instrumenten schaut, kommen von hinten plötzlich beunruhigende Laute. Fängt es wieder an zu gewittern? Nicht ganz. Es ist nur das Donnerblech, das mit der Spring-Drum, Daumenklavier und anderen Percussionsinstrumenten des Ensembles die Geräusche der ungezähmten Natur mitten ins Rokoko-Ambiente holt.

Klanghölzer schaffen Puls

Diese überraschende Anfangsimprovisation geht fast unmerklich über in ein Werk von Steve Reich, einem Komponisten der Minimal Music. Fünf Paar Klanghölzer schaffen einen regelmäßigen Puls, der fast meditative Wirkung hat. Das ist trotzdem kein bisschen langweilig, weil immer wieder ein anderes Klangholzpaar ausschert und sowohl rhythmisch als auch von den Klangfarben her eigene Akzente setzt.

Ein Abend der Kontraste und Entdeckungen: Wer denkt schon daran, dass sich die h-Moll-Flötensonate von Johann Sebastian Bach auch mit Marimba- und Vibrafon und Glockenspiel zum Klingen bringen lässt? Das entwickelt eine eigene Wirkung. Sphärisch und geheimnisvoll ist das, fast ein bisschen märchenhaft.

Musik auch aus Westafrika

Abermals eine neue Welt öffnet sich mit dem Arrangement von „Spain“, das ursprünglich vom Jazz-Pianisten Chick Corea stammt. Hier stehen sich Emil Kuyumcuyan und Lucas Gerin gegenüber. Und obwohl jeder konzentriert über sein Instrument gebeugt ist, schaffen sie ein musikalisches Ergebnis wie aus einem Guss. Von hier aus geht es nach Westafrika, dessen typische Rhythmus-Patterns, gespielt auf Djemben und einer Basstrommel namens Dununba, zu „Talking Drums“ werden.

Nach der Pause geht die musikalische Entdeckungsreise weiter. Zunächst mit einer Collage aus drei Werken verschiedener Komponisten, bei der die Musiker auf Tischen sitzen und ihre Stimmen und Körper als Rhythmusinstrument einsetzen. Darauf folgt eine Komposition Klaus Drehers: „Pat’s Café“ – eine Hommage an die Pat Metheny Group. Den fulminanten Abschluss macht das „Marimba Spiritual“, bei dem die Koreanerin Semi Hwang einer Totenklage den Ruf nach Regen folgen lässt.