Wo geht’s lang bei Daimler? Foto: dpa

Daimler steht vor dem größten Umbau der Konzerngeschichte. Doch der Vorstand nimmt die Mitarbeiter nicht mit ins Zeitalter der E-Mobilität, sondern lässt sie seine neue Macht über die Arbeitsplätze spüren. Für die bevorstehenden Aufgaben ist das keine gute Voraussetzung, meint StN-Autor Klaus Köster.

Stuttgart -

Auf den ersten Blick hat es den Anschein, als könne es dem Daimler-Konzern gar nicht besser gehen. „Mercedes-Benz hat beim Absatz das achte Rekordjahr in Folge hingelegt“, erklärte Daimler-Chef Dieter Zetsche. Doch die Rekorde bröckeln, räumte er ein. Die Töne werden verhaltener. „Man sollte auch an den richtigen Stellen bremsen, sonst fliegt man irgendwann aus der Kurve“, lässt der designierte Konzernchef Ola Källenius die Beschäftigten bereits vor Amtsantritt wissen. Bei der angesprochenen Senkung von Reisekosten wird es kaum bleiben. Er stimmt die Beschäftigten vielmehr auf eine neue Zeit ein.

E-Offensive übersetzt sich in Jobangst

Die rechtzeitige Information über den geplanten Kurs kann den Umgang mit den Beschäftigten nur besser machen. In der Personalpolitik gibt der Konzern bisher eine unglückliche Figur ab – und das, obwohl sich die Notwendigkeit von Einsparungen sogar gut begründen lässt. Denn dass die Elektromobilität unter dem Strich Arbeitsplätze kosten wird, ergibt sich schon daraus, dass für den Bau eines solchen Autos weitaus weniger Menschen benötigt werden als für ein Verbrennungsauto. Umso wichtiger wären daher klare, ermutigende, nach schlüssiger Strategie klingende Ansagen, wie es weitergeht mit den Beschäftigten, wenn das E-Auto tatsächlich in wenigen Jahren einen guten Teil der Verbrenner aus den Fabrikhallen verdrängt. Davon aber kann bisher keine Rede sein. Bisher übersetzt sich die groß angekündigte E-Offensive für die Beschäftigten, nicht zuletzt im Stammwerk Untertürkheim, eher in Begriffe wie Jobangst, Auslagerung und Fremdbezug aus Asien. Gemessen am Ausmaß des bevorstehenden Umbaus, unternimmt der Konzern bisher viel zu wenig, um die Sorgen zu zerstreuen. Er lässt die Ängste wabern und die Betriebsräte rudern.

Gewiss, Daimler hat mit der Arbeitnehmerseite eine weitreichende Jobsicherung bis Ende 2029 vereinbart. Doch durch eine erkennbare Beschäftigungsstrategie ist diese Zusage bisher nicht unterlegt. Das Motiv scheint vor allem in der Absicht zu bestehen, die Zustimmung der Arbeitnehmer zum ehrgeizigen Management-Projekt eines kapitalmarktgerechten Umbaus der Konzernstruktur zu erlangen. Die Führung weiß: Würden die Mitarbeiter im großen Stil Gebrauch von ihrem individuellen Widerspruchsrecht gegen den bevorstehenden, massenhaften Arbeitgeberwechsel machen, wären die ehrgeizigen Pläne gescheitert. Das will man um jeden Preis verhindern.

Jobsicherungen aus Papier

Dabei haben sich kühne Jobsicherungen in der Vergangenheit als wenig belastbar erwiesen. 2004 vereinbarte der Konzern eine für damalige Verhältnisse sensationelle Sicherung für fast acht Jahre – ein Jahr später baute er erst in der Autosparte und kurz danach in der Konzernzentrale etliche Tausend Stellen ab. Jobzusagen aus Papier sichern Abfindungen, nicht aber Arbeitsplätze.

Die E-Mobilität wird dem Konzern gegenüber den Arbeitnehmern eine haushohe Machtposition verschaffen, denn nun kann er glaubhaft mit dem Kauf wichtiger Komponenten in Asien drohen – und das in einer Lage, in der die Beschäftigung ohnehin unter Druck gerät. Schon jetzt lässt er die Mitarbeiter durch eine zähe Verhandlungsstrategie um die künftigen Jobs für den E-Antrieb spüren, dass sie ihn mehr brauchen als er sie. Doch der Konzern ist gut beraten, seine Überlegenheit mit Augenmaß auszuspielen. Denn er ist mehr denn je auf Beschäftigte angewiesen, die einen langwierigen, höchst anspruchsvollen Umbauprozess mitgehen und auch mitgestalten. Haben sie das Gefühl, sie schaufelten dabei ihr eigenes Grab, wird dieser Prozess kaum von Erfolg gekrönt sein.

klaus.koester@stuttgarter-nachrichten.de