Die geplante Umbenennung der Schlieffenstraße vor dem Firmensitz von Mann+Hummel in Ludwigsburg wird zum Politikum. Foto: factum/Granville

Ein Teilstück der Schlieffenstraße in Ludwigsburg soll nach dem Filterhersteller Mann+Hummel benannt werden, jetzt regt sich Widerstand. Denn die Gründer profitierten im Dritten Reich unter anderem von Arisierungen. In der offiziellen Firmenchronik werden die Ereignisse geschönt.

Ludwigsburg - Es hat lange gedauert, bis sich Ludwigsburg dazu durchrang, die Karl-Peters-Straße umzubenennen. Karl Peters, Hänge-Peters genannt, Kolonialist, brutaler Unterdrücker in Afrika, Rassist. So jemanden wollte die Barockstadt nicht länger würdigen; die kleine Straße im Stadtteil Eglosheim heißt nun Holzwiesen. Die Stadt hatte eigens eine dreiköpfige Historikerkommission einberufen, um kritische Straßennamen untersuchen zu lassen, Peters ist der erste Name, der getilgt wurde.

Der Oberbürgermeister Werner Spec setzt sich dafür ein, dass bald eine weitere Straße an die Reihe kommt. Aus anderen Motiven zwar, aber auch diesmal spielt die deutsche Vergangenheit eine Rolle. Ein Teilstück der Schlieffenstraße im Ludwigsburger Westen soll in Mann+Hummel-Straße umbenannt werden, weil der Automobilzulieferer und Filterhersteller mit weltweit 20 000 Beschäftigten dort seinen Hauptsitz hat. Das Unternehmen sagt, die Stadt habe die Idee dazu gehabt, man habe sie gut gefunden. Jetzt droht der Fall zum Desaster für beide zu werden.

Der Vorstoß droht zum Desaster für die Firma und die Stadt zu werden

Denn andere finden den Vorstoß weniger gut. Das liegt – vorsichtig ausgedrückt – an der indifferenten Haltung der Firmengründer Adolf Mann und Erich Hummel in der NS-Zeit. Bislang behandelten die städtischen Gremien das Thema stets unter Ausschluss der Öffentlichkeit, auch das Gutachten der Historiker ist unter Verschluss. Weil das Ergebnis unangenehm ist? Die Historiker raten dringend davon ab, den Herren Mann und Hummel eine Straße zu widmen. „Dadurch könnte in den Augen mancher die Glaubwürdigkeit der Firma und der Stadt Schaden nehmen“ heißt es in dem Papier, das dieser Zeitung vorliegt. Die Historiker haben tief in Akten gewühlt und Sonderbares entdeckt.

Hervorgegangen ist Mann+Hummel einst aus der Firma Bleyle, deren Gesellschafter Max Bleyle und Arthur Weber 1938 von einem Stuttgarter Sondergericht wegen eines Devisenvergehens verurteilt worden waren. Ein beliebtes Mittel der Nazis, um politische Gegner mundtot zu machen. Das Urteil: fünf Jahre Zuchthaus und je eine Million Reichsmark Geldstrafe.

Ob Mann und Hummel, die bei Bleyle in leitenden Positionen tätig waren, den Prozess angestoßen haben, lässt sich nicht klären. Aber sie profitierten davon und wurden selbst Inhaber. Ein Muster, das sich 1939 wiederholen sollte, als sich Mann und Hummel Arisierungen in Wien zu Nutze machten und dort jüdische Firmen übernahmen. Dass Adolf Mann und Erich Hummel NSDAP-Mitglieder waren, kritisieren die Historiker nicht, weil dies damals „geradezu erwartet worden“ sei. „NS-Aktivisten waren beide nachweislich nicht.“ Lobend erwähnen sie, dass Mann+Hummel sich später an einer Stiftung zur Entschädigung von Zwangsarbeitern beteiligte. Aber: sollten die Hintergründe bekannt werden, laufe das Unternehmen Gefahr, „auf seine Rolle in den Jahren 1938 bis 1941 reduziert zu werden“, heißt es im Gutachten.

Mann+Hummel sieht keinen Grund, die geplante Straßenumbenennung zu stoppen

Die Firma ist sich dieser Gefahr offenbar nicht bewusst. „Für uns sind keine Gründe ersichtlich, die gegen die Umbenennung sprechen“, sagt der Sprecher Patrick Löffel. Mann+Hummel habe seine Historie intensiv aufgearbeitet.

Tatsächlich erwähnt die offizielle Firmenchronik auch die dunklen Kapitel der Firma, das allerdunkelste aber, die Gründungsphase, wird weitgehend ausgeblendet. Nach dieser Lesart haben die Herren Mann und Hummel den Naziopfern Bleyle und Weber mit der Firmenübernahme quasi einen Gefallen getan. Was diese nach dem Krieg vehement bestritten. „Vor diesem Hintergrund ist die lakonische Darstellung in der Firmenchronik schwer nachvollziehbar“, kritisiert die von der Stadt beauftragte Historikerkommission.

Herbert Engler, ein ehemaliger Betriebsrat des Unternehmens, hat sich kürzlich in einem offenen Brief an den Oberbürgermeister gewandt. Engler ist wütend darüber, dass Mann+Hummel zahlreiche Stellen abbaut. Er hat ebenfalls Archive gesichtet und erhebt Vorwürfe gegen Adolf Mann und Erich Hummel, die über jene der Historiker weit hinausgehen.

Der OB lobt das Unternehmen, die Stadträte distanzieren sich

Spec hat am Donnerstag auf den Brief geantwortet und lässt durchblicken, dass er seine Meinung nicht ändern wird. Mann+Hummel sei ein wichtiger Arbeitgeber. Das Unternehmen entwickle moderne Umwelttechnologien, stelle sich seiner wirtschaftlichen und sozialen Verantwortung und fördere mit seiner Stiftung den internationalen Austausch von Schülern. Auch auf die Historie geht der OB ein: „Der Vorwurf, es habe ein Wechselspiel zwischen der NSDAP Stuttgart, der NS-Justiz sowie den späteren Firmeninhabern Mann und Dr. Hummel gegeben, lässt sich durch die uns bekannten Quellen nicht belegen.“ Das weitere Verfahren werde man mit dem Gemeinderat besprechen.

Das dürfte spannend werden. Die Grünen und die SPD haben sich inzwischen weit von der Einschätzung des Oberbürgermeisters distanziert. „Die Verwaltung hat es uns gegenüber immer so dargestellt, als habe Mann+Hummel die Geschichte intensiv aufgearbeitet“, sagt die SDP-Fraktionsvorsitzende Margit Liepins. Das Historikergutachten beweise, dass genau das nicht der Fall sei. „Für uns ist die Umbenennung damit erledigt.“