Der Kläger (rechts) im Verwaltungsgericht Stuttgart vor Beginn eines Prozesses, in dem die Rechtmäßigkeit einer Kontrolle des Klägers durch die Bundespolizei in einem Zug geklärt werden soll. Foto: dpa

„Ich bin Teil dieser Gesellschaft und möchte auch so behandelt werden“, sagte der in Kabul geborene Kläger am Donnerstag vor dem Gericht in Stuttgart. Der 30-Jährige ist sich sicher, auf Reisen wegen seiner dunkleren Hautfarbe regelmäßig kontrolliert zu werden.

Stuttgart - Eine Kontrolle im ICE bei Baden-Baden hat bei einem Deutsch-Afghanen das Fass zum Überlaufen gebracht: Der 30-Jährige fühlt sich von der Polizei regelmäßig wegen seines Aussehens diskriminiert - nun hat der Mann mit deutschem Pass und afghanischen Wurzeln die Bundesrepublik verklagt. Er ist sich sicher: Immer wieder wird er allein wegen seiner schwarzen Haare und dunklen Haut gefilzt. „Ich bin Teil dieser Gesellschaft und möchte auch so behandelt werden“, sagte der in Kabul geborene Kläger am Donnerstag vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart. Bei der Verhandlung stellt sich heraus, dass die Bundespolizei in grenznahen Zügen womöglich schon seit Jahren systematischer kontrolliert als es der Europäischen Union gefällt.

19. November 2013, 22.30 Uhr: Der Kläger, der für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit arbeitet, ist im ICE 377 Richtung Freiburg unterwegs zu einer Tagung. Nahe Baden-Baden wird der heute 30-Jährige von drei Bundespolizisten kontrolliert - als einziger in der mit acht Passagieren besetzten Ersten Klasse. Schon wieder mal, denkt er. Die Beamten stellen seine Personalien fest und gleichen die Daten ab. Sie dürfen das laut Gesetz bis zu 30 Kilometern diesseits der Grenze, zur Aufdeckung unerlaubter Einreisen und Verhütung von Straftaten. Baden-Baden liegt in diesem Raum.

Kontrolle wegen schwarzer Haare und dunkler Haut?

Es könne nicht sein, dass er nur wegen seiner schwarzen Haare und dunklen Haut kein „richtiger Deutscher“ sei, sagte der 30-Jährige. „Dabei vertrete ich die Bundesrepublik sogar international und bin gerade auf dem Weg nach Indonesien.“ Seine Klage stützt er auf Artikel 3 des Grundgesetzes und das Verbot, Menschen etwa wegen ihrer Rasse zu diskriminieren. Die Vorgaben im Bundespolizeigesetz führten zwangläufig zu Kontrollen nach äußeren Merkmalen, zum sogenannten „Racial Profiling“, kritisiert Hendrik Cremer, Rassismus-Experte beim Deutschen Institut für Menschenrechte.

Festgeschrieben sind diese besonderen Kontrollbefugnisse der Beamten im Paragraf 23 des Bundespolizeigesetzes. Immer wieder würden damit illegale Einreisen unterbunden, berichtete Oberregierungsrätin Claudia Herwig. Die Beamten stützen sich dabei aber auf Richtlinien, die seit Jahren gegen Europarecht verstoßen, wie sich zeigt. 2010 beanstandete der Europäische Gerichtshof (EuGH) solche Befugnisse. Inzwischen führe die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland, sieht einen Verstoß gegen den Schengen-Grenzkodex, wie Vera Egenberger vom Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung berichtet. So systematische Grenzkontrollen wie einst seien tabu.

Heißt: Für die Kontrollen des Klägers durch die Bundespolizei damals fehlte eigentlich die Rechtsgrundlage. Das machte der Vorsitzende Richter Raphael Epe am Donnerstag auch so deutlich. Warum das Bundespolizeigesetz seit 2010 nicht EU-konform umgeschrieben wurde, blieb am Donnerstag offen. Seine Entscheidung will Epe am Freitag veröffentlichen. Am rheinland-pfälzischen Oberverwaltungsgericht endete die ähnliche Klage eines dunkelhäutigen Studenten 2012 schlicht mit einer Entschuldigung der Bundespolizisten.