Einfach auf dem Boden abgestellt: Lammrücken im Lager eines Lokals Foto: Stadt Stuttgart

Wie kommt ein Draht in den Risotto? Warum landet Kloake tagelang auf einem Kellerregal neben den Nudeln? Der Ekel-Report 2014 zeigt: Der Verbraucherschutz in Stuttgart hat noch reichlich Nachholbedarf.

Stuttgart - Essen kann wehtun. Wie bei einer Büroangestellten, die in der Mittagspause einen Imbiss verzehren wollte und plötzlich einen Stich in der Zunge verspürte. Das Reisgericht war mit einem Metallspan bewaffnet. Ein städtischer Lebensmittelkontrolleur nahm das Imbisslokal unter die Lupe und fand einen zerzausten Topfkratzer. Außerdem starke Verschmutzungen im Betrieb und an den Küchengeräten. Das Lokal musste erst einmal zur gründlichen Reinigung geschlossen werden.

125 Lebensmittel verarbeitende Betriebe sind im vergangenen Jahr vorübergehend stillgelegt worden. Damit hat die städtische Lebensmittelüberwachung doppelt so oft die Rote Karte gezückt wie noch im Vorjahr. Deutlich mehr Verwarnungsgelder und Bußgeldbescheide, die Kontrollquote unter den 10 782 Betrieben von 39 auf 43 Prozent gesteigert – der Verbraucherschutz in Stuttgart kämpft sich langsam zurück.

„Das ist die gute Nachricht“, sagt Ordnungsbürgermeister Martin Schairer am Montag bei der Vorstellung der Jahresbilanz der Dienststelle Lebensmittelüberwachung, Verbraucherschutz und Veterinärwesen. Alle 20 Stellen seien jetzt besetzt, nachdem fünf Nachwuchskräfte ihre Ausbildung abgeschlossen haben. Außerdem sei noch ein Nachschlag von drei weiteren Stellen zu erwarten. Das Land hat für 2015 und 2016 insgesamt 44 Stellen für Lebenskontrolleure im Nachtragshaushalt finanziert.

Mehr Personal, mehr Kontrollen, mehr Sünder

Das ist auch dringend notwendig. Denn gerade beim Verbraucherschutz gilt: Mehr Personal, mehr Kontrollen, mehr Sünder. „Man kann schon sagen, dass durch die geringe Kontrollfrequenz der letzten Jahre die Hygienemoral vieler Betreiber offensichtlich gesunken war“, sagt Dienststellenleiter Thomas Stegmanns. Sein Jahresbericht ist voll von Rattenrennbahnen, verkrusteten Pizzablechen, verdreckten Mikrowellen, verfetteten Starkstromanschlüssen, verschimmelten Spülmaschinenböden. „Bei uns können Sie vom Boden essen“ – diesen Spruch kann Stegmanns nur ergänzen: „Denn da liegt noch genug herum.“ Nudelreste etwa.

4637 Lebensmittelbetriebe sind im vergangenen Jahr kontrolliert worden – und jeder zweite musste beanstandet werden. Das ist nicht gerade beruhigend. Nicht nur, wenn da ein halbes Lamm im Vorratskeller auf dem Boden Spalier steht. Schlimm sah es auch im Trockenlager einer Gaststätte im Keller aus. Dort waren nach einer Sanierung der Toilettenleitungen versehentlich Schächte offen geblieben. Die ganze Masse ergoss sich über Tage samt Klopapier im Keller auf einem Regal mit Schüsseln und Tischdecken. Auf der anderen Seite waren die Nudeln aufbewahrt. Stegmanns ist fassungslos: „Wie kann es sein, dass Mitarbeiter über Wochen in den Keller gehen, ohne was dagegen zu unternehmen?“

Seit Jahren versucht Stegmanns etwas gegen den Personalnotstand in seinem Hause zu unternehmen. Denn Lebensmittelkontrolleure sind rar. Und die Fluktuation groß. Nach der Auflösung des Wirtschaftskontrolldienstes (WKD) bei der Polizei 2003 und der vollständigen Übernahme der Aufgaben durch die Stadt hat Stegmanns Behörde 31 Nachwuchskräfte ausgebildet – viele sind aber wieder abgewandert.

Ein Ballungsraumproblem: Die Ekel-Jäger sind gefragt, die Lebenshaltungskosten anderswo günstiger als in Stuttgart. Nun aber bietet die Stadt einen besonderen Bonus: Den Kontrolleuren wird ein Beamtenstatus angeboten. Was das Land einst einsparen wollte, kehrt nun wieder zurück. Zurück in die Zukunft. Gleichwohl: Selbst 23 Leute liegen immer noch unterhalb der damaligen Stärke des einstigen WKD bei der Stuttgarter Polizei. „Eigentlich“, rechnet Stegmanns vor, „müssten wir 34 sein.“