Sie gehört zu den wichtigsten Schätzen der Menschheit: Auf die Insel Reichenau wurde Geschichte geschrieben. In dem einflussreichen Kloster wurde nicht nur gebetet.
Der Mensch übertreibt gern. Deshalb sollte man die Legende des Heiligen Pirmin wohl nicht für bare Münze nehmen. Als er auf die Insel Reichenau kam, soll er auf Schlangen gestoßen sein. Also machte er sich daran, die Tiere zu vertreiben – und letztlich soll er so viele ins Wasser gescheucht haben, dass der komplette Bodensee tagelang mit Schlangen bedeckt war. Das zumindest behauptet die Legende. Ob die Tiere jämmerlich ersoffen sind, davon ist nichts überliefert.
Beim Glauben gehörten wundersame Erzählungen schon immer zum Kerngeschäft – und so wurde auch die Legende um den Heiligen Pirmin über Generationen weitergereicht. Er war es, der 724 auf der Insel Reichenau nicht nur die Schlangen vertrieb, sondern ein Kloster gründete. Heute denken die meisten bei der Reichenau an ein schönes Ausflugsziel. Lange war die Insel aber ein Zentrum des Glaubens und der Macht. Deshalb wird das Jubiläum „1300 Jahre Klosterinsel Reichenau“ nun in großem Stil gefeiert – auf der Insel selbst und mit einer Sonderausstellung in Konstanz.
Zahllose Leihgaben und ein schwerer Katalog sollen die Bedeutung untermauern
Das Archäologische Landesmuseum in Konstanz hat seine Räume hierzu den Kollegen des Badischen Landesmuseums Karlsruhe zur Verfügung gestellt, die nun aus Kirchen, Klöstern und Museen zahllose Objekte ausgeliehen haben, Handschriften und güldene Schätze, Gemälde, Skulpturen und sogar Reliquien – so viel, dass die Besucher nicht annähernd alles studieren können. Aber man macht Ausstellungen ja nie nur fürs Publikum, sondern auch fürs Image. Dabei wird Bedeutung gern in Fülle und Gewicht dokumentiert, weshalb die 600 Katalogseiten auch fast drei Kilo auf die Waage bringen. Aber das Kloster Reichenau war eben bedeutend. Offiziell bestand das Leben der Benediktiner aus beten, lesen, arbeiten – und doch pflegten die Reichenauer bald Kontakte weit über Europas Grenzen hinaus, nach Jerusalem oder Nordafrika. Es existiert noch ein „Verbrüderungsbuch“, in dem man nachverfolgen kann, wie das Netzwerk von 823 bis ins 14. Jahrhundert wuchs und immer prominenter wurde. Wer Macht besaß, ob weltlich oder kirchlich, der reiste auf die Reichenau.
Auf die Reichenau wurden Reliquien gebracht – sogar das Blut Christi
Wie die Anfänge im Kloster ausschauten, wissen die Historiker nicht so genau, vermutlich gab es hier bereits Bewohner. Im Lauf des Mittelalters entstanden diverse Kirchen und Kapellen, finanziert von befreundeten Bischöfen, die hofften, hier eines Tages begraben zu werden. Es wurden auch allerhand Reliquien auf die Insel gebracht – die Gebeine des Evangelisten Markus und sogar Blut, das angeblich von Christus selbst stammte.
Heute sind noch drei Kirchen erhalten. Da es kaum noch Gegenstände gibt, die vom einstigen Alltag im Kloster erzählen, zeigt man in der Schau vor allem Objekte aus anderen Klöstern. Was aber noch existiert sind die Bücher, für die die Mönche selbst die Seiten aus Tierhäuten herstellten wie auch die Tinten und Farben aus Wurzeln und Erde. Nicht nur die Reichenau selbst gehört heute zum UNESCO-Welterbe der Menschheit, sondern auch einige dieser Handschriften, die so kunstvoll gestaltet waren, dass sie zu einem begehrten Exportartikel wurden. Bei aller Bescheidenheit wurden die Künstler oft im Vorspann genannt oder gar abgebildet.
Die Mönche wurden zu wichtigen Akteuren der Politik
In einer Zeit, als kaum jemand lesen und schreiben konnte, waren Klöster die Orte, an denen das Wissen gesammelt wurde – ob zur Astronomie oder Arithmetik. Wer etwas lernen wollte, musste ins Kloster gehen. Karl der Große wollte Bildung fördern, sodass die Mönche ab 800 Lehrmaterial zur Verfügung stellten, damit die Gläubigen auch außerhalb der Klöster lernen konnten. Er holte auch viele Kirchenleute an seinen Hof nach Aachen, wo diese Regierungsgeschäfte erledigten und allerhand Privilegien genossen.
Die Ausstellung in Konstanz will den ganz große Bogen schlagen – und nicht nur von der Reichenau erzählen, auf der nach Jahren des Niedergangs heute wieder Mönche und Nonnen leben. Dass ein steinernes Kapitell aus Brescia möglicherweise als Vorbild für Bauten auf der Insel dienten – das ist eines der vielen Details, in denen sich die an sich anregende wie lehrreiche Ausstellung mitunter verliert. Da ist der winzige Würfel erhellender. So klein er sein mag, verrät er doch, dass Müßiggang zwar „als Feind der Seele“ galt, man im Kloster aber trotzdem oft und gern spielte.
Reichenau zum Lesen
Roman
Zum Jubiläum ist das Buch „Reichenau – Insel der Geheimnisse“ im Bonifatius Verlag erschienen, in dem die Bestsellerautorin Tanja Kinkel und andere Autorinnen historischer Romane vom Leben der Äbte, Mönche und Nonnen und dem Leben auf der Reichenau erzählen.
Ausstellung
bis 20. Oktober im Archäologischen Landesmuseum Konstanz, geöffnet Di bis So und Feiertage 10–18 Uhr. adr
Beim Glauben gehörten wundersame Erzählungen schon immer zum Kerngeschäft – und so wurde auch die Legende um den Heiligen Pirmin über Generationen weitergereicht. Er war es, der 724 auf der Insel Reichenau nicht nur die Schlangen vertrieb, sondern ein Kloster gründete. Heute denken die meisten bei der Reichenau an ein schönes Ausflugsziel. Lange war die Insel aber ein Zentrum des Glaubens und der Macht. Deshalb wird das Jubiläum „1300 Jahre Klosterinsel Reichenau“ nun in großem Stil gefeiert – auf der Insel selbst und mit einer Sonderausstellung in Konstanz.
Zahllose Leihgaben und ein schwerer Katalog sollen die Bedeutung untermauern
Das Archäologische Landesmuseum in Konstanz hat seine Räume hierzu den Kollegen des Badischen Landesmuseums Karlsruhe zur Verfügung gestellt, die nun aus Kirchen, Klöstern und Museen zahllose Objekte ausgeliehen haben, Handschriften und güldene Schätze, Gemälde, Skulpturen und sogar Reliquien – so viel, dass die Besucher nicht annähernd alles studieren können. Aber man macht Ausstellungen ja nie nur fürs Publikum, sondern auch fürs Image. Dabei wird Bedeutung gern in Fülle und Gewicht dokumentiert, weshalb die 600 Katalogseiten auch fast drei Kilo auf die Waage bringen. Aber das Kloster Reichenau war eben bedeutend. Offiziell bestand das Leben der Benediktiner aus beten, lesen, arbeiten – und doch pflegten die Reichenauer bald Kontakte weit über Europas Grenzen hinaus, nach Jerusalem oder Nordafrika. Es existiert noch ein „Verbrüderungsbuch“, in dem man nachverfolgen kann, wie das Netzwerk von 823 bis ins 14. Jahrhundert wuchs und immer prominenter wurde. Wer Macht besaß, ob weltlich oder kirchlich, der reiste auf die Reichenau.
Auf die Reichenau wurden Reliquien gebracht – sogar das Blut Christi
Wie die Anfänge im Kloster ausschauten, wissen die Historiker nicht so genau, vermutlich gab es hier bereits Bewohner. Im Lauf des Mittelalters entstanden diverse Kirchen und Kapellen, finanziert von befreundeten Bischöfen, die hofften, hier eines Tages begraben zu werden. Es wurden auch allerhand Reliquien auf die Insel gebracht – die Gebeine des Evangelisten Markus und sogar Blut, das angeblich von Christus selbst stammte.
Heute sind noch drei Kirchen erhalten. Da es kaum noch Gegenstände gibt, die vom einstigen Alltag im Kloster erzählen, zeigt man in der Schau vor allem Objekte aus anderen Klöstern. Was aber noch existiert sind die Bücher, für die die Mönche selbst die Seiten aus Tierhäuten herstellten wie auch die Tinten und Farben aus Wurzeln und Erde. Nicht nur die Reichenau selbst gehört heute zum UNESCO-Welterbe der Menschheit, sondern auch einige dieser Handschriften, die so kunstvoll gestaltet waren, dass sie zu einem begehrten Exportartikel wurden. Bei aller Bescheidenheit wurden die Künstler oft im Vorspann genannt oder gar abgebildet.
Die Mönche wurden zu wichtigen Akteuren der Politik
In einer Zeit, als kaum jemand lesen und schreiben konnte, waren Klöster die Orte, an denen das Wissen gesammelt wurde – ob zur Astronomie oder Arithmetik. Wer etwas lernen wollte, musste ins Kloster gehen. Karl der Große wollte Bildung fördern, sodass die Mönche ab 800 Lehrmaterial zur Verfügung stellten, damit die Gläubigen auch außerhalb der Klöster lernen konnten. Er holte auch viele Kirchenleute an seinen Hof nach Aachen, wo diese Regierungsgeschäfte erledigten und allerhand Privilegien genossen.
Die Ausstellung in Konstanz will den ganz große Bogen schlagen – und nicht nur von der Reichenau erzählen, auf der nach Jahren des Niedergangs heute wieder Mönche und Nonnen leben. Dass ein steinernes Kapitell aus Brescia möglicherweise als Vorbild für Bauten auf der Insel dienten – das ist eines der vielen Details, in denen sich die an sich anregende wie lehrreiche Ausstellung mitunter verliert. Da ist der winzige Würfel erhellender. So klein er sein mag, verrät er doch, dass Müßiggang zwar „als Feind der Seele“ galt, man im Kloster aber trotzdem oft und gern spielte.
Reichenau zum Lesen
Roman
Zum Jubiläum ist das Buch „Reichenau – Insel der Geheimnisse“ im Bonifatius Verlag erschienen, in dem die Bestsellerautorin Tanja Kinkel und andere Autorinnen historischer Romane vom Leben der Äbte, Mönche und Nonnen und dem Leben auf der Reichenau erzählen.
Ausstellung
bis 20. Oktober im Archäologischen Landesmuseum Konstanz, geöffnet Di bis So und Feiertage 10–18 Uhr. adr