Konstantin Wecker kommt mit seinem Programm „Poesie und Widerstand“ am 31. Oktober in den Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle. Foto: dpa

Rastlos ist Konstantin Wecker, um Poesie in Widerstand zu verwandeln. Vor seinem Konzert am 31. Oktober in Stuttgart spricht der Sänger über Bayerisches auf dem Wasen, seinen „Willy 2018“ und verrät, wie er gelernt hat „zu geben, ohne selbst zu wollen“.

Stuttgart - In jungen Jahren ging der Münchner Konstantin Wecker gern aufs Oktoberfest, auch wenn er damals schon die Ein-Liter-Krüge nicht für das Maß aller Dinge hielt. Heute stuft der Liedermacher Biertrinken im dröhnenden Zelt als Zeitverschwendung ein. Wer 71 Jahre alt ist, kann nicht wissen, wie üppig die Wegstrecke noch ist, die vor einem liegt, um den uralten Traum von einer besseren Welt wenigstens noch ein bisschen in die Realität zu überführen. „Ich setze mich für Menschen, Tiere und Bäume ein“, sagt er mit klarer, bestimmter Stimme, in die sich immer wieder ein ironischer Unterton mischt. Als politischer Aktivist will er nicht immer nur ernst und verbiestert sein. Die Lebenslust hat er bewahrt, vor allem die Freude daran, am Verändern mitzuwirken.

Bei Bäumen denkt der Vater zweier Söhne im Alter von 19 und 21 Jahren an den Hambacher Forst, aber auch an den Stuttgarter Schlossgarten. Mehrfach war Wecker im Kessel inmitten der schwäbischen Hügel, um gegen das Bahnprojekt S 21 zu protestieren, das er als „reines Spekulationsobjekt“ geißelt. Der bayerische Künstler weiß, dass man die Wiesn, aber der Wasen sagt. Er kennt den Unterschied und amüsiert sich darüber, dass bei der Kleidung die Annäherung weiter vorangeschritten ist, als er sich dies jemals hätte vorstellen können.

Wecker ist kein Freund von Uniformierung

„Es ist lustig, dass man in Stuttgart bayerische Dirndl und Lederhosen trägt“, sagt er, „das tut man neuerdings selbst beim Biertrinken im deutschen Norden.“ Weder beim Oktober- noch beim Cannstatter Volksfest gefällt ihm „diese Uniformierung“. Findet er es nicht bedenklich, dass so viele Menschen mit Schunkeln und Saufen beschäftigt sind, statt auf die Straße zu gehen, um die Welt zu retten? „Ach, mit meiner Vergangenheit erheb’ ich doch nicht den moralischen Zeigefinger gegen den Rausch“, antwortet der Sohn eines Opernsängers, den in seiner Münchner Heimat der Ruf eines meist von der Toskana-Sonne gebräunten Frauenhelden über Jahrzehnte begleitet hat. In den späten 1990ern war er angeklagt wegen des Konsums von Kokain.

Am Sonntag endet das 200-Jahr-Jubiläum des Cannstatter Volksfestes – und am selben Tag sehr wahrscheinlich auch die absolute Mehrheit der CSU in Bayern. Konstantin Wecker rechnet mit einem Absturz der politischen Franz-Josef-Strauß-Erben und amüsiert sich, „wie sich Söder und Seehofer gegenseitig die Schuld daran in die Schuhe schieben“. Verärgert ist er über den Niedergang der SPD, jener Partei, die er einmal unterstützt hat. Aber richtig wütend macht ihn, dass der Höhenflug der AfD immer noch nicht beendet ist. „Dagegen müssen wir alle etwas tun“, fordert der 71-Jährige.

In der Liederhalle singt er seinen „Willy 2018“

„Poesie und Widerstand“, so heißt das Programm, das er bei einem Nachschlagkonzert am 31. Oktober im Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle mit einer anderen Auswahl der Lieder und mit neuen Stücken aufführt (Karten bei Easy Ticket unter Telefon 0711 / 2 55 55 55). Lassen sich mit Poesie Nazis stoppen? „Poesie ist ein Anker und ein Wegweiser“, findet er, „um es deutlich zu sagen, Poesie ist anarchisch.“ Auch wenn er „rechte Hohlköpfe“ nicht mit Poesie erreichen könne, weil die schlicht zu dumm dafür seien, stärke Poesie die Vernünftigen, gäbe diesen Kraft, etwas gegen Hetze und Fremdenfeindlichkeit zu tun.

Beim Stuttgarter Konzert will er seinen „Willy 2018“ singen. Der erste Willy stammt aus den 1970ern. „In meinen schlimmsten Albträumen hätte ich mir nicht vorstellen können, dass sich neue Nazis in die deutschen Parlamente drücken“, klagt er und fragt: „Was ist passiert, Willy, dass alle zwei Sekunden ein Mensch in der Welt zur Flucht gezwungen wird?“

Es ist nicht leicht, darauf Antworten zu finden. Über Facebook versucht er dies im Austausch mit jungen Menschen. Wecker ist bekannt für provozierende Postings. Bei den Konzerten seien zwar viele ältere Zuhörer, aber über die sozialen Medien und Youtube erreiche er die jüngere Generation, was ihm wichtig ist – schon allein, weil sie ihn verändern kann. Im Lied an seine Söhne singt er, dass er gelernt habe, „ohne wollen zu geben“. Diese Liebe zum Uneigennützigen verdanke er seinen Kindern. Die Jungen und Alten könnten nur gemeinsam etwas erreichen. Das Ziel eint, den Widerstand mit dem Zauber der Poesie zu stärken.