Susanne Eisenmann, CDU-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl, muss um ihre eigenen Ambitionen fürchten, wenn die Christdemokraten bundesweit monatelang streiten. Foto: Leif Piechowski

Der Paukenschlag der CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer erschüttert vor allem die baden-württembergische Landespartei. Denn hier prallen die Fronten besonders hart aufeinander. Und Spitzenkandidatin Eisenmann sorgt sich schon um ihren eigenen Wahlkampf.

Stuttgart - Wenn ein CDU-Landesverband nach dem angekündigten Rückzug von Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer hin- und hergerissen erscheint, dann ist es der baden-württembergische. Hier sind die konservativen Kräfte besonders einflussreich – doch die Modernisierer halten dagegen.

Umstritten ist schon das weitere Verfahren, von dem wiederum abhängt, wer in der Bundes-CDU sich Hoffnungen auf die Nachfolge von Kramp-Karrenbauer und damit auf die Kanzlerkandidatur machen darf. Kultusministerin Susanne Eisenmann zögert nicht. Forsch, wie es ihre Art ist und wie es auch ihrer Rolle als CDU-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl entspricht, versucht sie den Prozess von vornherein mit zu bestimmen – was logisch ist, weil eine das ganze Jahr über schwelende K-Frage ihren eigenen Wahlkampf zur Landtagswahl 2021 versauen würde.

„Wir können uns sicher nicht bis Ende des Jahres Zeit lassen, um zu Entscheidungen zu kommen“, sagte Eisenmann der „Süddeutschen Zeitung“. „Das würde dazu führen, dass wir uns in Personaldebatten austoben und inhaltlich überhaupt nicht vorankommen. Bis zum Sommer sollten wir Klarheit haben.“ Eisenmann verweist auf die Unruhe an der Parteibasis. „Die möchte wissen, für was wir inhaltlich stehen, wie wir uns wieder stärker profilieren und welche Person das am besten verkörpert.“

Besonnenheit als „Gebot der Stunde“

Landeschef Thomas Strobl fordert von Präsidium und Bundesvorstand, zügig einen geordneten Prozess festzulegen, rät aber zu „besonnenem und klugem Nachdenken“ bezüglich des Verfahrens. Auch Landtagsfraktionschef Wolfgang Reinhart nennt Besonnenheit als „Gebot der Stunde“. „Oberstes Ziel muss es dabei für uns alle sein, die Partei zusammenzuhalten.“

Der Abgeordnete Armin Schuster mit dem Wahlkreis Lörrach-Müllheim analysiert: „Es war doch schon durch das Nebeneinander von Kanzlerin und Parteichefin eine komplizierte Situation.“ Das werde jetzt sogar zu einem Dreiecksverhältnis mit dem Kanzlerkandidaten. Bis Dezember sei dies „keineswegs auszuhalten“. Die unklare Situation dürfe sich auf keinen Fall lange hinziehen.

Ohne Scheu die Merz-Inthronisierung erwogen

Ob es eine Urwahl geben könnte oder wieder Regionalversammlungen als parteiinternen Wahlkampf mitsamt einer Kür auf dem Stuttgarter Parteitag Anfang Dezember – all die Details müssen geklärt werden. Bei fast allen Christdemokraten, die sich zu Wort melden, schwingt aber auch die Frage mit, wer Merkel-Nachfolger werden könnte. Während Eisenmann für einen Generationenwechsel und konkret für Gesundheitsminister Jens Spahn als neuen starken Mann wirbt, dürfte für Strobl wiederum Friedrich Merz der Mann der Wahl sein. Der Konservative Christian Freiherr von Stetten, Chef des Parlamentskreises Mittelstand in der Bundestagsfraktion, hatte schon im November bei „Markus Lanz“ der Parteichefin sein persönliches Misstrauensvotum ausgesprochen und Merz den roten Teppich ausgerollt: „Friedrich Merz ist für jedes Amt in dieser Republik geeignet.“ Ohne jede Scheu skizzierte er Optionen, um den Sauerländer auf den Thron zu hieven.

Auch die hochumstrittene Werte-Union – ein dicker Stachel im Fleisch der CDU – hat im Südwesten eine starke Basis. „Danke an Hunderte Neumitglieder der letzten Tage trotz der teilweise unterirdischen Angriffe auf die Werte-Union“, twitterte am Dienstag ihr Vorsitzender, der gebürtige Heidelberger Alexander Mitsch. Aus seiner Sicht darf die Union mit der Kanzlerkandidatur nicht bis Dezember warten, weil dann eine Hängepartie drohe und die Union Zeit verlieren würde, um sich zu profilieren. Mitsch nennt Merz schon mal einen „hervorragenden Kanzlerkandidaten“.

Schwerer Tiefschlag für AKK-Anhänger

Nun gibt es als Kontrapunkt zu den Konservativen auch noch einen kleinen, aber aktiven linken Flügel in der Südwest-CDU. Der Konstanzer Vizechef der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Christian Bäumler, mahnt, „in erster Linie das Verhältnis zur AfD zu klären und zu einer klaren Abgrenzung zu kommen“. Es werde nicht reichen, die personelle Frage der Kanzlerkandidatur und des Bundesvorsitzes zu lösen. Sonst werde der Nachfolger in derselben strategischen Falle sitzen wie Kramp-Karrenbauer.

So ein Selbstreinigungsprozess dürfte allerdings viel Zeit in Anspruch nehmen. Mittendrin hängen – auch in der CDU-Landesgruppe – etliche Abgeordnete, die sich als Modernisierer verstehen und denen der AKK-Rückzug wie ein schwerer Tiefschlag vorkommen muss. Der Außenpolitiker Roderich Kiesewetter leitete einen Tweet des saarländischen Ministerpräsidenten Tobias Hans weiter, wonach die Werte-Union eine „Beleidigung für jedes CDU-Mitglied“ sei. Und der AKK-Anhänger aus Aalen spricht sich – ganz im Sinne der Noch-Vorsitzenden – für einen geordneten Übergang aus, damit die CDU „wieder als Brückenbauer wahrgenommen wird“. „Jetzt keine Grabenkämpfe und Personaldebatten“, fordert er. Dass sich speziell die Merz-Befürworter daran halten wollen, erscheint mehr als fraglich.