„Kongo Müller“ ist die zweite Eigenproduktion der neuen Intendanz am Theater Rampe. Basierend auf einem Filminterview Mitte der 1960er Jahre eines deutschen Afrika-Legionärs, ist es ein Lehrstück und Erfahrungsbericht über Auslandseinsätze von Armeen.
Stuttgart - Die Freiheit des Westens im Ausland verteidigen, das macht die Bundeswehr nicht erst seit einigen Jahren im Hindukusch, das hat ein gewisser Siegfried Müller schon in den 1950er Jahre getan – im afrikanischen Kongo. Kongo-Müller war deshalb sein Spitzname, und als solcher wurde er Mitte der 60er Jahre ziemlich angetrunken von einem Fernsehteam interviewt. Was Müller damals nicht wusste: Die Herren waren vom DDR-Fernsehen. Sie wollten ihn als Feindbild in Gestalt eines marodierenden Westlers darstellen, der aggressiv im Ausland den Kriegshelden spielt. Ein Bild, das Müller da bestens bediente.
Der Regisseur Jan-Christoph Gockel und der Schauspieler Laurenz Leky haben noch einiges mehr in ihr Projekt „Kongo Müller“ hineingepackt, das sie jetzt erstmals im Theater Rampe vorstellten. Der mittlerweile historische Film kommt darin auch vor, allerdings mehr als Folie und Anregung des Projekts. Gockel und Leky sind selbst in den Kongo geflogen, weniger auf Spurensuche nach Müller, sondern mehr darum bemüht zu schauen, wie die Zustände dort heute sind und wie westliche Soldaten heute damit dort umgehen.
Im Kongo haben sie etwa den gebürtigen Stuttgarter Martin Kobler getroffen, der nach einer Karriere im Büro des früheren Bundesaußenministers Joschka Fischer direkt in den diplomatischen Dienst wechselte und der heute im Kongo eine etwa 20 000 Mann starke Friedensmission der Vereinten Nationen leitet. Kobler ist alert und beweist Situationskomik: „Ich wollte raus aus der schwäbischen Enge. Nie wieder Heumaden“, zitiert ihn Leky.
Die Realität auf den Straßen hat Gockel mit seiner Videokamera festgehalten. So ist in der Rampe eine Sequenz mit einem verzweifelt weinenden Mann neben einem Toten am Straßenrand zu sehen, während nicht weit davon entfernt unermüdlich weitergeschossen wird.
Und das Bühnengeschehen? Parallel zur Befragung von Müllers Biografie spiegelt Laurenz Leky seine eigene Biografie. Ist dieses in all seinen Wirren, aber auch erhaltenen Lehrnachweisen nicht gleichwertig? Zugleich macht Gockel den Theateralltag zum Thema: So lässt er Leky aus dem Antrag der Rampe zitieren, für „Kongo Müller“ Projektmittel des Landes Baden-Württemberg zu erhalten – und stellt über eine ironische Kommentierung die für die Theater doch notwendige Antragskultur infrage.
Gockel, Leky und die Dramaturgin Nina Gühlstorff haben hier ein erfrischend multimediales Spiel entwickelt, das mit der Komplexität der hier gewählten Thematik lustvoll umgeht. Dazu gehören auch aktuelle politische Einschätzungen, etwa wenn Martin Kobler erwähnt, dass es ihn gereizt hat, „die größte, teuerste, erfolgloseste UN-Mission aller Zeiten“ zu leiten.
Sogar der umgekehrte Blick auf diese Produktion ist dabei: In einem Workshop in Ruandas Hauptstadt Kigali hat Leky afrikanischen Studenten gezeigt, was er bis dahin erarbeitet hat. Diese lobten in einer anschließend aufgenommenen Videosequenz sein Können, waren ansonsten aber erwartungsgemäß ziemlich irritiert. Auch die Zuschauer sind aufgefordert, aktiv mitzumachen. So dürfen alle einen der sich unter ihren Sitzen befindenden Einwände laut vortragen, mit denen Gockel und Leky vor der Abreise konfrontiert waren.
„Kongo Müller“, durch die aktuelle Diskussion über mögliche neue Auslandseinsätze der Bundeswehr noch einmal brisanter, bietet so insgesamt ein dichtes und bestens gefülltes Themennetz. Laurenz Leky gelingt es mit seinem Spiel, die vielen Fäden des Abends zusammenzuhalten.
Weitere Aufführungen gibt es an diesem Samstag sowie am 5. und 6. Februar sowie von 19. bis 22. Februar. Karten unter 07 11 / 6 20 09 09 15.