Türkische Soldaten in einem Panzer des Typs Leopard 2A4 nahe der syrischen Grenze Foto: XinHua

Die Türkei geht mit Militärgewalt gegen die Kurden im benachbarten Syrien vor. Dort könnten nun deutsche Panzerabwehrraketen auf deutsche Panzer treffen – denn Berlin hat Ankara und die Peschmerga im Nordirak beliefert. Das sorgt jetzt für Kritik.

Berlin - Die Bundesregierung will den Einsatz nicht bestätigen, obwohl die Bilder aus dem syrisch-türkischen Grenzgebiet für sich sprechen. Ankaras Staatschef Recep Tayyip Erdogan lässt seine Armee gegen kurdische Kämpfer im Norden Syriens vorgehen – mit deutschen Panzern des Typs Leopard 2. Sie sind Teil eines großes Rüstungsdeals, der insgesamt 354 Panzer umfasste und zwischen 2006 und 2011 abgewickelt wurde. Einige Jahre zuvor war das Geschäft von der damaligen Bundesregierung noch untersagt worden „wegen des Kampfes der Türkei im Osten der Türkei gegen die Kurden“, wie der aktuelle Außenminister Sigmar Gabriel das kürlich geschildert hat. Als Erdogan dann vorübergehend einen Versöhnungskurs gegenüber den Kurden einschlug, lieferte Deutschland und muss nun zuschauen, wie mit diesen Panzern Stellungen der – je nach Sichtweise – Freiheitskämpfer oder Terroristen angegriffen werden.

Mehr als eine sogenannte „Endverbleibserklärung“ hat es damals nicht gegeben – die Zusicherung also, dass die bestellten Waffensysteme nicht an andere Länder weiterverkauft werden dürfen. Bei einer Lieferung von knapp 400 Panzern des Vorgängermodells Leopards 1 hatte es noch eine Nutzungsbeschränkung gegeben, wonach sie nur zur Bündnisverteidigung im Rahmen der Nato eingesetzt werden dürften. Bei der zweiten Großlieferung entfiel diese Klausel mit dem Verweis auf Artikel 5 des Nordatlantikpakts, weshalb Berlin nun keinerlei Handhabe gegen den völkerrechtlich zumindest fragwürdigen Leopard-Einsatz in Nordsyrien hat.

Die Linkspartei reagiert empört

In den Berliner Parteien lösen die Bilder unterschiedliche Reaktionen aus – ganz unabhängig von der indirekten deutschen Beteiligung. Die Spitzen der Linkspartei sprachen am Dienstag von einem „Angriffskrieg gegen Afrin“, der syrischen Grenzregion nördlich von Aleppo. Von einer „völkerrechtswidrigen Invasion“ ist auch beim FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff die Rede, der fordert, die Bundesregierung müsse „endlich klar Stellung beziehen“: „Das Vorgehen der Regierung Erdogan geschieht nicht im NATO-Rahmen, es hat auch keine Legitimation der Vereinten Nationen.“ Jürgen Hardt, der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, warnt vor vorschnellen Urteilen: „Wir sollten bei Bündnispartnern in der NATO mit solchen Vorwürfen vorsichtig sein: Die Türkei hat das Recht, ihre eigenen Staatsbürger vor terroristischen Angriffen zu schützen, auch wenn diese über die Grenze hinweg erfolgen.“ Er plädiert jedoch dafür, dass sich Deutschland und die übrigen Verbündeten bilateral und im Nato-Rat darlegen lassen, wie die Türkei ihre Aktion rechtfertigt: „Rüstungsexporte an die Türkei müssen dann im Lichte dieser Erkenntnisse im Einzelfall geprüft werden.“

Die deutschen Waffenausfuhren speziell in die Türkei stehen – wieder einmal – im Zentrum der Debatte. Waffenlieferungen an ein Nato-Mitglied sind „grundsätzlich nicht zu beschränken, es sei denn, dass aus besonderen politischen Gründen in Einzelfällen eine Beschränkung geboten ist“, wie es in den „politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ heißt. Auf diese Passage stützt sich auch die Ansage vom vergangenen Sommer, wonach weitere Rüstungsexporte wegen der zahlreichen deutschen Gefangenen in der Türkei auf den Prüfstand zu stellen sind. Dass Vizekanzler Gabriel erst kürzlich im Sinne einer Wiederannäherung dem türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu zusagte, wohlwollend zu prüfen, ob nicht der Düsseldorfer Hersteller Rheinmetall die Leopard-2-Panzer mit einem Schutz gegen Landminen ausstatten könne, kommt nun besonders schlecht an. „Pläne des deutschen Außenministers für eine Nachrüstung von „Leopard 2“-Panzern in der Türkei müssen ausgesetzt werden“, verlangt nicht nur Lambsdorff.

„Ganzer Zynismus der deutschen Rüstungspolitik“

Als wäre diese Angelegenheit nicht schon delikat genug, kommt die Bewaffnung der kurdischen Seite noch hinzu. Im Kampf gegen die Terrormiliz des sogenannten Islamischen Staats hat die Bundesrepublik erstmals überhaupt aktiv Waffen in ein Kriegsgebiet geliefert. Seit Mitte des Jahres 2014 wurden kurdische Einheiten der Peschmerga im Nordirak nach Angaben der Bundeswehr mit insgesamt 1365 Tonnen Kriegsgerät beliefert – Maschinenpistolen, Gewehre, Panzerfäuste und Panzerabwehrraketen des Typs „Milan“. Die Adressaten mussten eine „Endverbleibserklärung“ unterzeichnen, eine „Endverbleibskontrolle“ vor Ort fand nach Informationen der Linke-Bundstagsabgeordneten Sevim Dagdelen jedoch nicht statt statt – erst als deutsche Waffen auf Schwarzmärkten in der Region auftauchten, gab es eine Untersuchung, bei der angeblich nur geringe Verluste festgestellt wurden. Das eröffnet zumindest die Möglichkeit, dass ein Teil dieser Waffen nun auch in den syrischen Kurdengebieten zum Einsatz kommt.

Aus der Bundeswehr ist zu hören, dass dies im Einzelfall nicht auszuschließen ist. Doch gehen die deutschen Militärs davon aus, dass die verschiedenen kurdischen Gruppen untereinander viel zu zerstritten sind, um sich gegenseitig mit Gerät zu unterstützen. Dieser Einschätzung widerspricht Dagdelen: „Es gibt Hinweise, dass die Waffen im Kampf gegen den IS geteilt und an die YPG im Norden Syriens weitergereicht wurden.“ Die kurdische Miliz in Syrien wurde bis zum Herbst vergangenen Jahres massiv von den USA mit Waffen beliefert, um deren letztlich erfolgreichen Kampf gegen die islamistischen Gotteskrieger zu befördern. Die Vereinigten Staaten unterstützen aber genauso den Nato-Partner Türkei. Es ist zumindest nicht auszuschließen, dass auch deutsche Waffen auf beiden Seiten des Konflikts eingesetzt werden. „Es zeigt den ganzen Zynismus der deutschen Rüstungspolitik“, meint die Linke Dagdelen, „dass nun deutsche Milan-Panzerabwehrraketen auf deutsche Leopard 2-Panzer treffen könnten.“

Die Kämpfe im Rahmen der türkischen „Operation Olivenzweig“ gingen am Dienstag mit unverminderter Härte weiter. Die syrischen Kurden riefen daher zu einer „Generalmobilmachung“ auf. Alle „Kinder unseres Volkes“ seien aufgerufen, „zu den Waffen zu greifen“, um Afrin zu verteidigen, hieß es in der Erklärung.