Liviu Dragnea (Mitte) neben der rumänischen Premierministerin Viorica Dancila (links) in Bukarest Mitte Dezember. Foto: AFP

Rumänien führt die nächsten sechs Monate die Geschäfte im Ministerrat: Doch zwischen der rumänischen Regierung und der EU-Kommission ist das Tischtuch zerschnitten.

Bukarest - Dass in Rumänien etwas schief läuft, das dürfte an diesem Freitag einer breiten Öffentlichkeit eindeutig demonstriert werden: Nach dem Festakt zum Beginn der ersten EU-Ratspräsidentschaft des Landes seit seiner Aufnahme in dem Brüsseler Club wird EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nämlich in zwei getrennten Veranstaltungen vor die Presse treten. Zunächst tritt er mit Staatspräsident Klaus Johannis auf, um danach noch einmal mit Regierungschefin Viorica Dancila anzutreten.

Diese Janusköpfigkeit steht für die Zerrissenheit der politischen Klasse in dem Land, das nun turnusgemäß für die nächsten sechs Monate den Vorsitz der 27 Mitgliedstaaten hat und damit die Geschäfte im Ministerrat führt. Johannis, der sein Land bei den EU-Gipfeln als Staatschef repräsentiert, ist verfeindet mit Ministerpräsidentin Dancila und der größten Regierungspartei PSD, die in den nächsten sechs Monaten mit dem Regierungsapparat dafür sorgen muss, dass in den Ministerräten in Brüssel in den Wochen vor den Europawahlen die letzten Gesetzgebungsentscheidungen reibungslos vorbereitet werden können. Wie dies gehen soll, ist ein Rätsel.

Das Land trete nicht als „kompakte Einheit“ auf

Johannis hat vor Weihnachten der Regierung seines eigenen Landes die Fähigkeit abgesprochen, die Ratspräsidentschaft auszuüben. Und Juncker drückte sich in einem Interview kürzlich ganz ähnlich aus: „Ich glaube, dass die Regierung in Bukarest noch nicht in vollem Umfang begriffen hat, was es bedeutet, den Vorsitz über die EU-Länder zu führen.“ Für ein umsichtiges Verhandeln, so der Luxemburger weiter, bedürfe es der Bereitschaft, „anderen zuzuhören und den festen Willen, eigene Anliegen hintanzustellen.“ Das Land trete nicht als „kompakte Einheit“ auf. Es bedürfe zu Hause einer geschlossenen Front, „um während der Präsidentschaft auch die Einheit in Europa zu fördern“.

Aus Sicht Brüssels und aus Sicht der rumänischen Opposition verwendet die Regierung in Bukarest die größte Energie nicht auf das Regieren, sondern darauf, korrupte Politiker vor der Strafverfolgung zu schützen. Treibende Kraft ist dabei offenbar der Chef der Regierungspartei PSD, Liviu Dragnea, der vorbestraft ist und deswegen nicht das Amt des Regierungschefs ausüben kann. In erster Instanz wurde er bereits wegen Anstiftung zum Amtsmissbrauch zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Derzeit läuft noch ein weiteres Verfahren gegen ihn, bei dem es um die Veruntreuung von EU-Geldern im großen Stil geht. Dragnea stand 2008 und 2009 der rumänischen Region Teleorman vor, wo im Zuge von Straßenbauarbeiten 21 Millionen Euro an EU-Mitteln veruntreut worden sein sollen. Die rumänische Antikorruptionsbehörde DNA, die mit der EU-Antikorruptionsbehörde Olaf zusammen arbeitete, warf Dragnea 2017 vor, zusammen mit mehreren anderen Tätern eine kriminelle Vereinigung gebildet zu haben. Parteichef Dragnea, bei dem alle Fäden bei politischen Entscheidungen in Rumänien zusammen laufen sollen, hat dann auf politischer Ebene dafür gesorgt, dass sowohl die rumänischen Antikorruptionsermittler sowie die rumänische Justiz in ihrer Arbeit behindert werden.

Desaströses Zeugnis für Rumänien

Seit der Regierungsübernahme 2017 versucht die PSD, die von der EU seit über zehn Jahren angemahnte durchgreifende Justizreform zu hintertreiben und zurückzudrehen. Beim Beitritt des Landes zur EU 2007 hatte die Brüsseler EU-Kommission festgestellt, dass es in Rumänien und in Bulgarien große Defizite im Justizwesen sowie bei der Korruptionsbekämpfung gab. Wenn man so will, waren beide Länder im Bereich der Justiz nicht beitrittsfähig. Da der Beitritt aber politisch gewollt war, wurde verabredet, dass die Regierung in Bukarest mit Unterstützung von Brüssel die Reformen anpackt. Jedes Jahr berichtet die Kommission seitdem über den Fortgang des Aufholprozesses.

Im November stellte die Kommission der rumänischen Regierung nun ein desaströses Zeugnis aus. Der für Rechtstaatlichkeit zuständige Vize der Kommission, Frans Timmermans, sagte dabei: „Ich bedauere, dass Rumänien nicht nur stecken geblieben ist in dem Reformprozess, sondern zurückgefallen ist, wo es in den vergangenen zehn Jahren Fortschritte gab.“ Entsprechend gab die Kommission der Regierung in Bukarest neue Hausaufgaben. Unter anderem fordert Brüssel, dass die Regierung in Bukarest endlich einen Chefermittler für die nationale Antikorruptionsbehörde ernennt, der über einschlägige Erfahrung verfügt.