Die Strecke der Gäubahn ist, wie hier in Bondorf bei Herrenberg, idyllisch, die Fahrt aber zu langsam für den Deutschlandtakt. Foto: dpa/Christian Johner

Der Berliner Verkehrsstaatssekretär Michael Theurer ruft zur Geschlossenheit auf. Die direkte Anbindung der Gäubahn-Anrainer an Stuttgart bliebt aber ein Streitpunkt.

Die Forderungen von Anrainern der Gäubahnstrecke Singen-Stuttgart und die Vorstellungen der Bahn AG und der Landeshauptstadt, wie Züge in einer Übergangszeit Stuttgart erreichen sollen, bleiben auch nach dem Gäubahngipfel am Dienstag in Böblingen unvereinbar. Eingeladen zu der Infoveranstaltung mit 70 Teilnehmern hatten der Berliner Verkehrsstaatssekretär Michael Theurer (FDP) und Thorsten Krenz, der DB-Beauftragte für Baden-Württemberg.

Bahn: Umstieg „tragfähiges Konzept“

Streitpunkt bleibt für die Anrainer die Abkoppelung der heutigen Panoramastrecke, also der Gäubahnstrecke im Stadtgebiet Stuttgart vom Hauptbahnhof von 2025 bis laut Bahn AG voraussichtlich 2032. Dann soll der neue Anschluss über den Flughafen in Betrieb gehen. Die Abkopplung, die im Zusammenhang mit dem Bahnprojekt Stuttgart 21 steht, kappt die Direktverbindung und macht den Umstieg aller Reisenden in Stuttgart-Vaihingen oder einem noch zu bauenden Halt Stuttgart-Nord auf S- oder Stadtbahn nötig. Für Krenz ein „tragfähiges Konzept“.

Neue Ideen vom Staatssekretär

Theurer brachte neue Ideen für den Beibehalt der Direktverbindung vor. Züge könnten ab Horb über Tübingen fahren, und zwar mit Loks, die Wechselweise mit Strom und Diesel fahren. So, müsste die Verbindung nicht elektrifiziert werden. Auch solle geprüft werden, ob Züge, die für den S-Bahntunnel in Stuttgart tauglich sind, auf der Gäubahn fahren könnte. Von Vaihingen zum Hauptbahnhof könnten sie die Stammstrecke der S-Bahn nutzen.

Land verweist auf Faktencheck

Gerd Hickmann, Abteilungsleiter im Stuttgarter Verkehrsministerium, verwies auf „viele technische Schwierigkeiten“, die mit den Vorschlägen einhergingen. Er sagte, die Landeshauptstadt müsse im vereinbarten Faktencheck zeigen, welche Auswirkungen der zeitweise Beibehalt von zwei Kopfbahnhofgleisen für die Gäubahn für den geplanten Städtebau auf dem Bahngelände bedeute. Bei möglichen neuen Wegen soll geprüft werden, welche Fahrpläne sich daraus ergeben würden.

Böblingens Landrat will den Anschluss

Den Erhalt der Direktverbindung fordern die Gäubahn-Anrainer. Böblingens Landrat Roland Bernhard bezeichnete den Weg über Tübingen als „drittbeste Lösung“. Man habe vier Gäubahnhalte im Landkreis und wolle „keine Eskalation“ beitreiben. Bernhard bezeichnete die geforderte und technisch mögliche Wiederherstellung des Direktanschusses an den Hauptbahnhof mit zwei Gleisen als „richtig“. Theurer warnt vor dieser Lösung. Aus dem Interim oberirdischer Restgleise könne „eine Dauerlösung werden“.

Pfaffensteigtunnel zentrales Element

Zentraler Angelpunkt des seit Jahrzehnten diskutierten Gäubahnausbaus ist der Pfaffensteigtunnel von Böblingen zum Flughafen Stuttgart. Dort koppeln die Züge an die S-21-Infrastruktur an und gelangen in den Tiefbahnhof. Die beiden Röhren kosten voraussichtlich eine Milliarde, der weitere Gäubahnausbau zwischen Böblingen und Singen eine weitere. Im Bundesverkehrswegeplan würden zwar mittelfristig pro Jahr 2,75 Milliarden Euro für Aus- und Neubauten bereitgelegt, aber erst „begonnene Maßnahmen gelten als nicht mehr disponibel“, warnte Theurer vor einer Verzögerung, schließlich stehe man vor „rund 28 Milliarden Euro Instandhaltungsrückstand“. Theurer sagte aber auch, der Bund wolle den Pfaffensteigtunnel „zeitnah realisieren, ich kann alle nur ermuntern, diese Chance zu nutzen“. Hickmann nannte den Tunnel „den Türöffner für den weiteren Ausbau“.

Ausbau Richtung Süden

Die Bahn will den Tunnelbau beschleunigen, indem sie laut S-21-Geschäftsführer Olaf Drescher Bauarbeiten bereits in der Leistungsphase 3 (Entwurfsplanung) ausschreibt. Man plane „neue Verfahren der Zusammenarbeit mit den Auftragnehmern“.

Keine Jahreszahl nennt Krenz für den Ausbau der Gäubahn Richtung Süden. Es gehe um 150 Kilometer Strecke, die vermutlich in vier Planungs- und Bauabschnitte unterteilt werde. Die Vorplanung starte 2023. Politisch fixiert ist der Wille, Böblingen und Singen als Haltepunkte zu erhalten. Bei den Plänen für den Deutschlandtakt, mit dem größere Städte im Halbstundenrhythmus erreicht werden sollen, waren diese Halte entfallen. In einem Jahr wollen Krenz und Theurer zum nächsten Gipfel einladen.