Der Meister in seinem Element: Eberhard Holz beim Verzieren von Osterhasen in seiner „Schwarzwälder Schokomanufaktur“ in Baiersbronn Foto: dpa

Eberhard Holz ist nicht nur als Bäcker und Konditor weit über Baiersbronn hinaus bekannt, sondern auch für sein soziales Engagement und die guten Drähte zur Politik. Nun macht der Vorzeigeunternehmer überraschend den Ofen aus und zieht nach Bayern.

Baiersbronn - Wer den Moment richtig genießen will, schließt die Augen, spitzt die Lippen zu einem Trichter, schiebt die kleine Kugel in den Mund, beißt darauf – und schweigt. Was folgt, ist Genuss pur für den Gaumen. Ob Trüffel mit Kirschwasser oder Krokantnougat, ob Marzipan oder Zwetschge: Wer Pralinen aus der Produktion von Eberhard Holz isst, dem droht Suchtgefahr.

„Ich habe meinen Beruf nie als Job gesehen, sondern immer alles mit Leidenschaft gemacht. Das muss man auch schmecken“, umschreibt der 63-Jährige seine Philosophie. Doch bald ist Schluss damit. In den nächsten Wochen gibt der gebürtige Schwieberdinger seine Bäckerei, sein Cafe und seine „Schwarzwälder Schokomanufaktur“ in Baiersbronn in andere Hände.

Engagement zum Wohl der Gesellschaft

Holz, dieser Name genießt in der Bäcker- und Konditorenszene in Baden-Württemberg und darüber hinaus einen Ruf wie Donnerhall. Nicht nur, dass der kleine drahtige Mann mit dem ansteckenden Lachen seit Jahren zum Vorkämpfer für die Original Schwarzwälder Kirschtorte geworden ist und er sich in seinem Bemühen um Qualitätsware vom Boom der Bäckerketten nicht beirren lässt.

Nein, Holz ist auch zu einer lebenden Symbolfigur für Werte wie Bodenständigkeit, Toleranz und Engagement zum Wohl der Gesellschaft geworden: „Man kann nicht immer nur nach dem Staat rufen und meinen, die Politik könne den Menschen ein Rund-um-sorglos-Paket anbieten. Man muss auch selbst etwas tun.“

Und so hat er in den 40 Jahren, in denen er für knapp fünf Millionen Euro den elterlichen Betrieb zu einer Vorzeigeadresse ausgebaut hat, mindestens genauso viel Zeit am Backofen verbracht wie für soziale Zwecke. In Russland hat Holz für junge Strafgefangene eine Lehrbackstube eingerichtet, in Wolgograd gibt es dank seines Einsatzes seit fünf Jahren einen deutsch-russischen Weihnachtsmarkt. Er hat junge Ausländer aus der halben Welt nach Baiersbronn geholt und ihnen gezeigt, wie man gesundes Brot herstellt.

Für die Hochwasseropfer und die Kinder-Aids-Hilfe gebacken

Er hat für die Kinder-Aids-Hilfe genauso gebacken wie für die Hochwasseropfer in den neuen Bundesländern. Er hat zur Fußball-WM 2006 in Deutschland die größte Schokoladentafel mit einer Länge von 31 Metern fabriziert und bei den Feiern zum Tag der deutschen Einheit im Oktober 2013 in Stuttgart eine überdimensionale Schwarzwälder Kirschtorte kreiert. Freilich kein gewöhnlicher Kuchen, sondern einer mit den Wappen aller 16 Bundesländer. Gerlinde Kretschmann, Frau des Ministerpräsidenten, durfte den Anschnitt machen. „Wir haben uns prima verstanden. Sie ist eine sympathische und authentische Frau“, sagt Holz über die Landesmutter - auch wenn er zugibt, kein Wähler der Grünen zu sein.

Aber so etwas ist für Holz zweitrangig. „Mir geht es um die Sache, nicht um parteipolitische Eitelkeiten.“ Und deshalb macht der „Landbäcker“, wie er sich selbst gerne nennt, seinen Einsatz auch nicht von der Farbe der Parteibücher abhängig. Immer wieder hat er Ministerpräsidenten auf Dienstreisen begleitet, so auch Günther Oettinger nach Moskau, um vor Ort mit frischen Brötchen für das deutsche Bäckerhandwerk zu werben.

Für Bundeskanzlerin Angela Merkel hat er mal das Kanzleramt in Baumkuchen nachgebaut. Zum Geburtstag des damaligen Bundesaußenministers Hans-Dietrich Genscher fuhr Holz nach Bonn, platzte in eine Kabinettssitzung von Kanzler Kohl und stellte eine Torte auf den Tisch.

Urkunde mit dem Ehrenpreis des Deutschen Bäckerhandwerks

Die ehemalige Bundesbildungsministerin und jetzige deutsche Botschafterin beim Vatikan, Annette Schavan, hat bei ihm genauso im Cafe schon den Kuchen genossen wie dort Bilder von ihm mit Bill Clinton, Gerhard Schröder und dem Dalai Lama hängen. Gleich daneben fällt ein Rahmen auf, darin eine Urkunde mit dem Ehrenpreis des Deutschen Bäckerhandwerks für „richtungsweisende und unternehmerische Leistungen, die für das Backgewerbe vorbildlich sind“.

Einer dieser vielen Verdienste: Holz überzeugte die Karlsruher Regierungspräsidentin Gerlinde Hämmerle, das Sonntagsbackverbot zu kippen. Wäre das nicht gelungen, gäbe es sonntagmorgens für Otto Normalverbraucher keine frischen Brötchen.

Kein Wunder, dass Holz vor Wut kocht, wenn er Ungerechtigkeit empfindet. So wie vor drei Jahren, als der neue Landeswirtschaftsminister Nils Schmid laut darüber nachdachte, lieber mal ein Schwarzwaldtal zuwachsen zu lassen, als bei den Bildungsausgaben zu sparen.

Holz zog seine Zusage, der neuen Landesregierung für einen Empfang in Brüssel grün-rotes Ciabatta zu backen und Schwarzwälder Kirschtorte zu kredenzen, über Nacht zurück. Ein Schritt, der bundesweit für Aufsehen sorgte. „So ein Rotzlöffel, dieser Minister. Wenn mein Sohn so was gsagt hätte, hätte der nen paar an Backa bekommen“, sagt Holz im breiten Schwäbisch.

Ob Schmid denn nicht wisse, wie wichtig die Landwirtschaft in den Schwarzwaldtälern, die Obstbaumwiesen und die regionalen Produkte aus dem ländlichen Raum seien, ereiferte sich der Meister. Inzwischen ist die Sache bereinigt. Aber Holz wäre nicht Holz, wenn er den verbalen Ausrutscher des SPD-Ministers nicht ins Positive gedreht hätte. Es wurde die Geburtsstunde der Diskussionsreihe „Dunkle Wälder – bunte Perspektiven“, bei der Prominente und Betroffene aus dem ganzen Land regelmäßig in Baiersbronn beraten, was in den ländlichen Regionen Baden-Württembergs getan werden muss, damit sie gegenüber den Ballungsgebieten nicht zurückfallen. Schmid war mittlerweile auch schon als Gast auf dem Podium – und zeigte sich höchst angetan von der Initiative.

„Ich hatte in meinem Leben unheimlich großes Glück, ein tolles Elternhaus, gute Lehrer und Fachleute, die mich unterstützt haben“, lautet Holz’ Bilanz zum Ende seiner Berufszeit. Aus einst zwei Sorten Brot sind bei ihm inzwischen 18 geworden, aus fünf Sorten Brötchen immerhin 30. Top-Hotels wie das „Brenners Park Hotel“ zählen auf seine Ware. Wie viel Schokolade er in all den Jahren für Pralinen, Osterhasen und Weihnachtsmänner, für Sonderkreationen wie Geigen, Fußbälle, 100-Euro-Scheine und andere süße Versuchungen verwendet hat? Hobbyfußballer Holz nennt eine fast unfassbare Zahl: „Einige hundert Tonnen werden es gewesen sein.“ Und wie viele Kuchen, Torten, Hefezöpfe hat er gebacken? „Tausende.“

Nun also verlässt er die öffentliche Bühne. Gibt in Baiersbronn alles auf, zieht mit seiner Frau nach Garmisch-Partenkirchen. Bayern, das ist seine zweite Heimat, dort wohnen die beiden Söhne. Holz verbindet seinen Abschied mit einem flammenden Appell. Er wirbt für die Zukunft des Bäcker- und Konditorengewerbes, das immer stärker unter massiven Nachwuchsproblemen leidet. Wer steht schon jede Nacht gerne um Mitternacht auf und muss auch am Wochenende arbeiten. „Aber mit dem Einschalten des Computers machst Du niemanden satt“, macht er dann deutlich, dass es in der Berufswelt von morgen nicht nur Studierte, sondern auch Handwerker geben muss.

Holz ist deshalb zum leidenschaftlichen Verfechter der Dualen Ausbildung geworden. „Es gibt kaum etwas Besseres, überall auf der Welt wird das inzwischen eingeführt.“ Sagt’s und gönnt sich eine neue Variante seiner Ostereier-Kreation. Der Inhalt: Sahnenougat. Und wieder gilt das bewährte Verzehrprinzip: Augen zu, Lippen zum Trichter formen, rein in den Mund, zubeißen. Dann schweigend genießen.